Obwohl es bei der Unternehmenssteuerreform III um viel Geld geht, hat der Bund bisher keine präzise ökonomische Analyse vorgelegt, was im Falle einer Abschaffung der kantonalen Steuerstatus für Holding-, Domizil- und gemischte Gesellschaften geschehen dürfte. Eine solche Analyse würde unserer Ansicht nach zeigen, dass der Vorschlag des Bundesrates unverhältnismässig bzw. zu teuer ist.
Von der Abschaffung der heutigen kantonalen Steuerstatus sind vor allem international tätige, mobile Firmen bzw. Gewinne betroffen. Während die Höhe der Gewinnsteuer für einen Grossteil der Firmen ein untergeordnetes Standortkriterium ist, trifft das für die hier betroffenen Firmen und Gewinne ausnahmsweise nur zum Teil zu. Die Steuersensitivität ist höher, wodurch Steuerreformen in diesem Bereich Auswirkungen auf Staatseinnahmen, aber auch Arbeitsplätze haben können.
Die Abschaffung wirkt sich in den einzelnen Kantonen jedoch sehr unterschiedlich aus. Für viele Kantone ändert sich gar nichts, weil sie kaum solche Privilegien gewährt haben. Andere haben zwar viele privilegierte Firmen, doch die ordentlichen Steuern sind so tief, dass bei einer Abschaffung dieser Privilegien auch hochmobile Firmen kaum aus dem Kanton abwandern werden (z.B. ZG). Relevant ist das Problem nur in Kantonen, in denen ein beträchtlicher Teil des Steuersubstrates privilegiert besteuert ist und die ordentlichen Steuern vergleichsweise hoch sind. Das sind BS, GE und VD. Würden hochmobile Firmen in den Kantonen neu ordentlich besteuert, dürfte ein Teil davon abwandern. Zahlreiche von ihnen dürften aber nicht den Weg ins Ausland suchen, sondern werden einfach den Kanton wechseln. Zudem kann im Übergang viel Zeit vergehen, weil die Firmen ab dem Zeitpunkt der ordentlichen Besteuerung unter der heutigen steuerlichen Praxis auch „aufgedeckte“ stille Reserven abschreiben können, was die Steuerbelastung wesentlich mildert. Gemäss Experten könnten die betroffenen Firmen die heutige tiefe Steuerbelastung dadurch noch bis zu 10 Jahre fortschreiben.
Das hat Auswirkungen auf die Steuererträge in den verschiedenen Gebietskörperschaften. Weil die privilegierten Firmen heute in den Kantonen nur wenig Steuern zahlen, wird eine Abschaffung der Privilegien in allen Kantonen zusammen in den meisten Szenarien sogar zu Mehreinnahmen führen. Die Entwicklung beim Bund hängt hingegen stark von den Wanderungsbewegungen ab – namentlich von den interkantonalen. Nimmt man in einem relativ pessimistischen Szenario an, dass nach der längeren Übergangszeit a) 50 Prozent der Firmen aus Kantonen mit höheren Steuern ins Ausland abwandern, b) die übrigen Firmen in der Schweiz bleiben (z.B. durch Abwanderung in Tiefsteuerkanton) und c) die Firmen in Tiefsteuerkantonen bleiben, so führt das beim Bund zu Steuerausfällen von rund 1 Mrd. Fr. (Daten für 2011 bzw. zusätzlich hier in den Berechnungsgrundlagen für die NFA). Bleiben mehr als diese 50 Prozent der Firmen in der Schweiz, reduziert sich der Betrag. Würde noch eine Lizenzbox eingeführt, so kann sich dieser Betrag weiter reduzieren. Wenn man den Aussagen des Kantons BS zu den Wirkungen einer Lizenzbox für den Standort Basel Glauben schenkt, reduzieren sich die Ausfälle beim Bund zusätzlich um mehrere hundert Millionen Franken.
Eine eingehende Analyse relativiert die rabenschwarzen Szenarien einer Abschaffung der kantonalen Steuerprivilegien. Die meisten Kantone sind gar nicht betroffen. Zahlreiche von ihnen dürften sogar profitieren. Aufgrund der stillen Reserven in den Steuerbilanzen haben auch die potenziell negativ Betroffenen (GE, VD, BS) viel Zeit, sich an die neuen Rahmenbedingungen anzupassen.
Um Abwanderungen von Firmen zu verhindern, will der Bund den Kantonen nach dem Giesskannenprinzip einen Betrag von jährlich total 1.2 Mrd. Fr. für flächendeckende Gewinnsteuersenkungen überweisen. Wie die ökonomische Analyse oben zeigt, ist diese Massnahme ökonomisch falsch und wohl viel zu teuer. Die überwiegende Mehrheit der Kantone ist gar nicht betroffen. Zudem dürften die Steuerausfälle aus Abwanderungen beim Bund auch in pessimistischen Szenarien tiefer sein als die 1.2 Mrd. Fr. Politisch ist es geradezu grotesk, dass die Kantone, welche das Prinzip des Steuerföderalismus hochhalten, vom Bund nun Milliarden-Subventionen für Steuersenkungen verlangen.
Nicht Subventionen für kantonale Steuersenkungen, sondern eine Stärkung des Finanzausgleichs ist die ökonomisch sinnvolle Begleitmassnahme zur Abschaffung der Steuerprivilegien. Im Vordergrund steht dabei insbesondere eine Stärkung des soziodemografischen Lastenausgleichs, welcher aus ökonomischer Sicht schon lange überfällig ist. Damit könnten die allfälligen Verlierer-Kantone durch die Gewinner entschädigt werden. Die Aufdeckung stiller Reserven wird den Anpassungsprozess mildern und die Bundeseinnahmen stabilisieren. Notfalls kann zur Sicherung der Bundeseinnahmen eine enge Lizenzbox vorgesehen werden, wobei die Notwendigkeit periodisch überprüft werden muss – auch vor dem Hintergrund der raschen Entwicklungen im internationalen Steuerrecht. Mit der Lizenzbox sollen keine Mitnahmeeffekte verbunden sein.
Allfällige Ausfälle aus der Abschaffung der Steuerprivilegien beim Bund müssen durch die Firmen finanziert sein. Durch die Unternehmenssteuerreform II wurden beispielsweise grosse Löcher in die Bundeskasse gerissen (Kapitaleinlageprinzip). Diese müssen geschlossen werden.