Rekordtiefe Zinsen: Geld für den Bund – für überfällige Investitionen
Seit dem Jahr 2007 wächst die Schweizer Bevölkerung jährlich zwischen 1 und 1.4 Prozent. Im Laufe dieses Jahres dürfte die 8-Millionen-Grenze überschritten werden. Dieses Bevölkerungswachstum treibt die Binnenwirtschaft an. Der Schweizer Privatkonsum wächst. Der Wohnungsbedarf steigt.
Doch die Infrastruktur hält mit dem Wachstum nicht Schritt. Das betrifft nicht nur staatliche Infrastruktur (inkl. Verkehr), sondern auch die Zahl der Wohnungen. Heute nimmt die Bevölkerung pro neu gebauter Wohnung um rund 2.1 Personen zu. Von 2000 bis 2006 lag diese Zahl bei 1.4. Der „Kapitalstock“ (Gebäude, Infrastruktur, Anlagen in den Unternehmen) stagniert sogar gemessen an der Wohnbevölkerung. Weil ein grosser Teil der Produktivität über Investitionen erzielt wird, wird dadurch das Produktivitätswachstum der Schweiz in beunruhigendem Mass gebremst. Und die Produktivität ist das Einkommen von morgen.
Die Schweiz muss investieren. Dringend ist der Bau von bezahlbaren Wohnungen. Doch auch die Infrastruktur muss an die höhere Bevölkerungszahl angepasst werden.
Der Bund hat das noch nicht erkannt. Die Debatten über die Bahninfrastruktur sind beispielsweise von einer Sparlogik geprägt. Dabei wären die rekordtiefen Zinsen die Gelegenheit, besonders günstig zu investieren. Die Zinsen des Bundes für 10 Jahre betragen rund 0.6 Prozent – für 20 Jahre knapp 1 Prozent. Würde der Bund heute beispielsweise den Finanzbedarf des FinöV-Fonds für die nächsten fünf Jahre auf Vorrat decken, könnte er bis zu 200 Mio. Fr. sparen, als wenn er jedes Jahr Kredite aufnimmt. Das ist Geld, das zusätzlich investiert werden könnte.
Weil die Zinsen rekordtief sind, dürfte der Bund im laufenden Jahr rund 800 Mio. Fr. weniger ausgeben. Es gibt einen Überschuss – trotz hohen Steuerausfällen aus der Unternehmenssteuerreform II. Dieses Geld gehört nicht auf hohe Kante, sondern in die Infrastruktur. Wenn der Bund seine Kreditaufnahme optimieren würde, wäre der Spielraum noch grösser.
Bevölkerungswachstum ist nicht gratis. Das haben beim Bund noch nicht alle verstanden. Kurzfristig steigen wegen der Zunahme der Bevölkerung zwar die Steuereinnahmen. Doch damit das Wachstum auch mittelfristig anhält, muss investiert werden. Dass folglich kein Geld für Steuersenkungen vorhanden ist, ist nicht neu. Doch das ändert nichts daran, dass diese Schlussfolgerung richtig ist.
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