Beachtliches Wachstum des Internethandels
Die Umsätze im Online-Detailhandel sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten kauften im Jahr 2016 über das Internet Waren im Wert von schätzungsweise 8.05 Mrd. Fr.[1] Rund 1.55 Mrd. Fr. dieser Waren wurden bei ausländischen Anbietern bestellt.
Gemäss den verfügbaren Zahlen resultierte zwischen 2012 und 2016 eine Zunahme von etwas über 60 Prozent. Besonders markant ist der Anstieg beim Umsatz der ausländischen Internethändler in der Schweiz. Dieser verdoppelte sich im gleichen Vierjahreszeitraum, wobei der Kleider- und Schuhhändler Zalando mit einem Anstieg des Schweizer Umsatzes von 160 Mio. Fr. (2012) auf 534 Mio. Fr. (2016) besonders stark beitrug. Der Anteil der Onlinekäufe am gesamten Detailhandelsumsatz lag im Jahr 2016 bei rund 8.3 Prozent – gegenüber 4.8 Prozent im Jahr 2012.
Die markante Zunahme des Onlinehandels spielte sich aber nicht vollumfänglich auf Kosten des stationären Handels in Verkaufslokalen ab. Der Internethandel trat zu einem nennenswerten Teil an die Stelle des klassischen Versandhandels (telefonische oder briefliche Bestellungen). Im Jahr 2006 beispielsweise erwirtschaftete der Versandhandel (inkl. Onlinehandel) einen Umsatz von 2.63 Mrd. Fr. oder rund 3 Prozent des gesamten Detailhandelsumsatzes. Der Anteil der Internetbestellungen machte damals noch bescheidene 29 Prozent des Versandhandels aus.
Online-Umsatzanteile: Heimelektronik top, Nahrungsmittel nach wie vor unbedeutend
Der Onlinehandel ist vor allem im Bereich der Heimelektronik sehr bedeutend. Hier werden schätzungsweise 30 Prozent der Waren über das Internet gekauft (Umsatzanteil). Umgekehrt kaufen die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten noch relativ wenig Nahrungs- und Genussmittel online ein. Der Online-Umsatzanteil bei Food/Near-Food betrug im Jahr 2016 1.9 Prozent, was einem Umsatz von rund 0.9 Mrd. Fr. entspricht. Bei den Kleidern und Schuhen werden rund 18 Prozent über das Internet ausgegeben (1.54 Mrd. Fr.). Im gesamten Non-Food-Bereich sind es immerhin 15.3 Prozent.
Der Onlinemarkt bei der Heimelektronik und im Nahrungs- und Genussmittelsegment wird vor allem von Schweizer Anbietern bestritten. Bei den Kleidern und Schuhen haben sich ausländische Anbieter – allen voran Zalando – eine stärkere Marktstellung schaffen können.
Druck auf Löhne und Arbeitsplätze durch Zalando, Amazon und Co.
Der Onlinehandel weist eine etwas besondere Struktur auf. Einerseits gibt es relativ klassische Anbieter, welche ein breites Sortiment statt in einem Ladenlokal über das Internet anbieten wie die Migros-Tochter Digitec Galaxus AG. Andererseits gibt es aber auch Plattformen, welche nur eine Art Marktplatz darstellen, über den eine Vielzahl von Detailhändlern eigene Produkte verkauft (z.B. Siroop von Coop und Swisscom). Ein Hybrid-Modell mit eigenen Produkten und Drittanbietern ist Amazon, welcher die Schweiz aus Deutschland beliefert.
In der Schweiz sind Migros und Coop mit Detailhandelsumsätzen im Jahr 2016 von knapp 1 Mrd. Fr. (Migros) und 572 Mio. Fr. (Coop) die umsatzstärksten Onlineanbieter (nur B2C). Migros betreibt neben Digitec Galaxus u.a. LeShop.ch. Auch Coop ist mit Coop@home, microspot.ch vor allem im Bereich Food und Heimelektronik präsent. Diese beiden grossen Detailhändler unterhalten – wenn auch in unterschiedlichem Masse - sozialpartnerschaftliche Beziehungen und schliessen GAVs ab. Daher gibt es in diesen Segmenten eine gewerkschaftliche Organisation.
Zwei der umsatzstärksten Onlineshops in der Schweiz – Zalando und Amazon – beliefern die Schweiz hingegen aus dem nahen Ausland. Mit viel tieferen Löhnen: Gemäss Medienberichten zahlt Zalando im Logistikzentrum Lahr einen Einstiegslohn von 12.67 Euro/h für Ungelernte. Bei Amazon sind die Löhne mutmasslich noch tiefer. Gewerkschaften sind unerwünscht, insbesondere bei Amazon. Die beiden Anbieter haben in ihren Segmenten (Kleider/Schuhe, Medien u.a.) eine starke Marktstellung. Zalandos nächster Konkurrent im Bekleidungs- und Schuh-Onlinegeschäft sind die rund 10-mal kleineren bonprix bzw. la Redoute. Der Schweizer Umsatz von 534 Mio. Fr. ist etwas tiefer als derjenige von H&M (732 Mio. Fr. v.a. im stationären Handel) bzw. bereits höher als der Umsatz von C&A (ca. 470 Mio. Fr.). Neuerdings werden über das Internet sogar gewisse Mode-Beratungsdienstleistungen angeboten (auch bei Zalando u.a.).
In den letzten Jahren mussten in der Schweiz bereits viele Kleider- und Schuhgeschäfte schliessen – aufgrund der Konkurrenz im Ausland durch den überbewerteten Franken und den tiefen Logistikkosten. Doch wer bei Amazon oder Zalando einkauft, sollte sich diesen Zusammenhängen bewusst sein.
Im Zusammenhang mit der "Digitalisierung" wird vor allem über die negativen Auswirkungen der Plattformarbeit (Uberisierung) oder über die Robotisierung gesprochen. Die negativen Auswirkunges des Onlinehandels wurden bisher kaum thematisiert. Dabei geht es hier um relevante Entwicklungen.
[1] Gemäss VSV, GfK Switzerland und Media Focus Schweiz, inkl. Lieferungen im Umfang von 250 Mio. Fr. an Abholstationen im grenznahen Ausland. In den 8.05 Mrd. Fr. sind auch 750 Mio. Fr. aus Käufen über Plattformen/Tauschbörsen etc. wir ricardo.ch enthalten. Diese Transaktionen finden grösstenteils zwischen Privathaushalten statt (C2C). Der Umsatz im klassischen Business-to-consumer-Onlinehandel (B2C) belief sich demzufolge auf rund 6.5 Mrd. Fr.