Kartellgesetzrevision schwächt Weko dort, wo sie am schlagkräftigsten sein muss
Die „Kartellisierung“ der Schweizer Wirtschaft wurde in der Vergangenheit überschätzt. Dementsprechend überschätzt wurden auch die Notwendigkeit und die Wirksamkeit von Kartellgesetz und Wettbewerbskommission (Weko). Der jüngste Evaluationsbericht zum Kartellgesetz kommt zu einem nüchteren Ergebnis. Bei den von den Forschungsinstituten KOF und ZEW untersuchten „grossen“ Fälle der Weko (Kartell Strassenbeläge Tessin, Vertikalabreden Autoimporte, Swisscom ADSL, Buchpreisbindung; Evaluationsbericht S. 26ff.) haben die Weko-Entscheide das kaum zu sinkenden Preise oder einem besseren Angebot geführt. Generell hat die Weko in den vergangenen Jahren trotz grossen Anstrengungen kaum bedeutende Kartelle oder Vertikalabreden gefunden. Die teilweise höheren Preise in der Schweiz gegenüber dem Ausland (z.B. Land-wirtschaftsprodukte) sind vor allem politisch bedingt (Zölle u.a.). Dass eine zu schwache Wettbewerbspolitik die Ursache sei, kann die Forschung nicht belegen (Sax/Weder, 2009).
Die Weko wurde also ideologisch überhöht. Das heisst nüchtern betrachtet aber nicht, dass es keine Wettbewerbskommission braucht. Harte Kartelle sind wirtschaftlich schlecht und gehören bekämpft. Zudem wirkt eine Weko präventiv. Wenn die Firmen wissen, dass sie bestraft werden, werden sie aufpassen, ein Kartell zu bilden.
Obwohl das neue Gesetz erst 6 Jahre alt ist und noch relativ wenig Erfahrung mit den Kartellbussen vorliegt, will der Bundesrat das Kartellgesetz revidieren. Jedenfalls hat er einen Vorschlag in die Vernehmlassung gegeben. Dieser Vorschlag dürfte das Wettbewerbsrecht in seinem wichtigsten Bereich, der Bekämpfung von harten Kartellen schwächen. Gerade in diesem Bereich also, in welchem sie am schlagkräftigsten sein muss. Das, indem die heutige Wettbewerbskommission bürokratisch in ein Bundeswettbewerbsgericht und eine Wettbewerbsbehörde aufteilt werden soll. Indem künftig das heutige Sekretariat der Weko vor dem Bundeswettbewerbsgericht als Klägerin eine Sanktion gegen ein hartes Kartell beantragen muss, wird es den Anwälten des Kartells, die vor dem Gericht die Gegenpartei bilden, gleichgestellt. Gestärkt werden hingegen die Anwälte des Kartells, die dessen Interessen vertreten. Es ist denn auch kein Wunder, dass sich die Anwälte im Rahmen der Anhörungen positiv zu einer institutionellen
Neuausrichtung geäussert haben.
Heute führt das Weko-Sekretariat zuhanden der Weko die Untersuchung durch und verfasst einen Verfügungsentwurf. Das Verfahren ist
dementsprechend effizient. Künftig soll das neugeschaffene Gericht nach Anhörung der Wettbewerbsbehörde (heutiges Sekretariat) ein eigenes, unabhängiges Urteil bilden. Neben der Schwächung der Wettbewerbsbehörde führt das zu Doppelspurigkeiten und Ineffizienzen. Das wird bereits im Vernehmlassungsbericht sichtbar. Neu sollen
Stellen für mehrere hauptamtliche RichterInnen plus weitere für nebenamtliche RichterInnen geschaffen werden. Die heutige Weko hingegen ist eine effizientere, kostengünstigere Milizbehörde.
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