Wachstum der Arbeitsproduktivität in der Schweiz statistisch deutlich unterschätzt
Um die so genannte Wachstumspolitik des Bundes ist es zum Glück ruhiger geworden. Früher kam der zugehörige Bericht wie ein Wunschprogramm der wirtschaftspolitischen Staatsgegner daher. Die Begründung: Um die schwach wachsende Arbeitsproduktivität - insbesondere in Teilen des Schweizer Dienstleistungssektors - zu erhöhen, müsse man auslagern, deregulieren und privatisieren. Die ökonomische Erklärung für die se Massnahmen war jeweils ausgesprochen dünn, teilweise sogar abenteuerlich.
Doch bereits die Kritik am zu schwachen Wachstum der Arbeitsproduktivität stand auf tönernen Füssen. Denn die Schweizer Statistiken zur Arbeitsproduktivität sind ausgesprochen mangelhaft.
Beispielsweise wäre die Informatikbranche gemäss den Statistiken des BFS im Jahr 2012 rund 32 Prozent weniger produktiv gewesen als noch 1997. Oder das Verlagswesen 22 Prozent bzw. die „Forschung und Entwicklung“ sogar mehr als 34 Prozent weniger. Eine Negativentwicklung zeigt die Statistik in diversen anderen Branchen. Das will nicht zu einer kapitalistischen Marktwirtschaft passen. Denn in dieser Wirtschaft wird investiert und rationalisiert, um die Produktivität zu erhöhen. Wo liegt das Problem?
Arbeitsproduktivität ist schwierig zu messen. Im Dienstleistungssektor ist es besonders schwierig. Am einfachsten messbar ist der Arbeitseinsatz (Nenner). Viel schwieriger ist schon die Bruttowertschöpfung (Zähler). Um die Produktivität über einen Zeitraum vergleichbar zu machen, muss sie preisbereinigt werden. Hier liegt eine zusätzliche Schwierigkeit, die die Zahlen sehr stark verzerren kann. In den oben erwähnten Dienstleistungsbranchen wird die Preisentwicklung gemäss einem Methodenbericht des BFS mit dem Lohnindex herausgerechnet. Das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die Löhne mit der Arbeitsproduktivität wachsen. Das BFS dürfte somit die Arbeitsproduktivität herausgerechnet haben, statt sie auszuweisen.
Insgesamt machen die so preisbereinigten Dienstleistungsbranchen deutlich mehr als 10 Prozent der Wertschöpfung aus. Steigen die Löhne produktivitätsbedingt in den betroffenen Branchen jährlich um 1 Prozent oder mehr, wird das Produktivitätswachstum bereits dadurch um insgesamt 0.1 bis 0.2 Prozent pro Jahr unterschätzt. Bevor das Seco zu einem neuen solchen Bericht Anlauf nimmt, wären erst die statistischen Grundlagen zu klären.
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