Geldpolitik unter Nullzinsen: Handlungsspielraum ist vorhanden.
Ben Bernanke, der Präsident der US-Zentralbank, hat in seiner Professorenzeit viel zu Geldpolitik in Rezessionen oder Stagnationen bei sehr tiefer Inflation geforscht. Analytisch hat er somit beste Voraussetzungen die gegenwärtige Geldpolitik möglichst optimal zu gestalten. Doch bemerkenswerterweise gibt es einen grossen Unterschied zwischen seinen früheren Analysen und der Geldpolitik des US-Fed. Das weist der profilierte Makroökonom Laurence M. Ball in einem aktuellen Paper nach.
In Phasen wirtschaftlicher Stagation oder Rezession, in welcher die Kurzfristzinsen nicht mehr weiter gesenkt werden konnten, weil sie bereits nahe Null lagen, empfahl Bernanke zu Beginn der 2000er Jahre als Uni-Professor u.a. die Ankündigung eines Inflationsziels von 3 bis 4 Prozent, die Abwertung der Währung oder die direkte Nachfragestimulierung beispielsweise über geldpolitisch finanzierte Steuersenkungen. Diese Vorschläge entwickelte er namentlich im Rahmen einer Analyse der japanischen Geldpolitik dieser Zeit. Japan hatte bereits damals das Problem, das die Wirtschaft kaum mehr wuchs und die Inflationsentwicklung sehr tief war bzw. deflationäre Tendenzen zu beobachten waren.
Ab 2003/2004 nahm Bernanke von einem Teil dieser Vorschläge Abstand. Als neuer Fed-Gouverneur schloss er sich der damaligen Mehrheitsmeinung im Federal Open Market Committe (FOMC) an. Diese empfahl in solchen Situationen u.a. die Ankündigung von tiefen Kurzfristzinsen über einen längeren Zeitraum, den Kauf von längerfristigen Bonds (das heutige "quantiative easing") u.a. Die früheren Empfehlungen von Bernanke wurden hingegen abgelehnt. Ball versucht die Frage zu beantworten, warum Bernanke seine Meinung geändert hat.
Was die Wechselkurs-Abwertungen betrifft, dürfte die Wahl als Fed-Gouverneur relevant gewesen sein. In den USA ist das Finanzministerium für die Wechselkurspolitik zuständig. Im Sinne einer institutionellen Arbeitsteilung hält sich das Fed zurück. Bei der Abkehr von den übrigen beiden Vorschlägen (höheres Inflationsziel, geldfinanzierter Nachfrageimpuls) dürfte gemäss Ball das Gruppendenken (oder der Gruppenzwang) im FOMC eine wichtige Rolle gespielt haben. Anders könne der Meinungsumschwung nicht erklärt werden. Offene Diskussionen und unterschiedliche Meinungen sind dort offenbar wenig gefragt.
Unabhängig davon, was die Gründe im Detail gewesen sind: Was das US-Fed geldpolitisch macht oder sagt, ist auch für andere Zentralbanken von grosser Bedeutung. In Anbetracht der Schlussfolgerungen von Ball wäre es gut, wenn die Diskussion über die Geldpolitik unter den heutigen Bedingungen offener geführt würde. Der geldpolitische Handlungsspielraum dürfte grösser sein.