Negativzinsen: Wann investieren die Staaten endlich anstatt zu sparen?
Die Negativzinsen sind ein eigenartiges Phänomen. Man kriegt Geld dafür, dass man einen Kredit aufnimmt. In der Schweiz muss man dem Bund für ein Darlehen über 10 Jahre 0.5 Prozent Zins zahlen. Weltweit werden heute rund 13 Billionen Dollar der Staatsobligationen negativ verzinst. Warum das?
Rein ökonomisch gesehen ist die Erklärung nicht schwierig. Unmittelbar sind die Negativzinsen die Folge einer Geldpolitik, welche über möglichst tiefe Zinsen die Konjunktur stabilisieren oder ankurbeln will. Doch die eigentliche Ursache liegt tiefer. Negativzinsen sind Ausdruck davon, dass es viel mehr Akteure gibt, die Kredite geben als Kredite aufnehmen wollen. Viele Länder wie Deutschland oder die Schweiz verfolgen einen Sparkurs und machen Überschüsse. Doch nicht nur der Staat spart, sondern auch viele Firmen. Sie halten sich bei den Investitionen und den Löhnen zurück und geben weniger aus als sie einnehmen. So beispielsweise in Deutschland und in der Schweiz ("Finanzierungssaldo"). Bis vor 15 Jahren war das Gegenteil der Fall. Die Privathaushalte versorgten die Firmen mit Kapital, welches die Firmen in die Realwirtschaft investierten.
Die Negativzinsen sind daher in erster Line die Folge der mangelnden Investitionsbereitschaft in Staat und Privatwirtschaft. Weil zu wenig investiert wird, müssen die Zentralbanken einspringen. Konjunkturpolitisch ist das besser, als wenn gar nichts getan wird. Noch wirksamer wäre es aber, wenn die Staaten und die Firmen mehr investieren würden.
Doch in der Schweiz verhält sich der Bund sogar komplett unvernünftig. Dank den Negativzinsen könnte er mit der Kreditaufnahme sogar Geld verdienen – ohne dass er irgendwelche Risiken eingeht. Doch er baut die ausstehenden Kredite ab und häuft ein Nettovermögen an.
Um die Zinssituation wieder ins Gleichgewicht zu bringen, muss wieder mehr Geld in die Realwirtschaft fliessen. D.h. mehr Investitionen der öffentlichen Hand und der Firmen in die Realwirtschaft. Und die Löhne müssen steigen. Investitionsprojekte gäbe es mehr als genug, sei es im Umwelt- oder Bildungsbereich. Um die die Klimaerwärmung zu stoppen, sind beispielsweise substanzielle Investitionen in den öffentlichen Verkehr notwendig. Denn der Privatverkehr gehört zu den grössten CO2-Emittenten in der Schweiz. Bei den Löhnen gibt es grossen Nachholbedarf – insbesondere bei den langjährigen Mitarbeitenden und den Frauen. Wichtig wäre auch, wenn die Nationalbank ihre 2 Milliarden Einnahmen aus den Negativzinsen an die Altersvorsorge ausschüttet. Denn die Negativzinsen bereiten gerade den Pensionskassen grosse Sorgen.