SNB empfiehlt der EU den Abbau des Arbeitnehmerschutzes - doch selbst ihre deregulierungsfreundlichen Kollegen im IWF und in der OECD raten davon ab
Ziemlich überraschend empfahl SNB-Direktoriumspräsident Thomas Jordan gestern in der Sonntagszeitung den Euro-Staaten „mehr Flexibilität auf den Arbeitsmärkten“. Das würde die wirtschaftlichen Aussichten verbessern und die hohe Arbeitslosigkeit verringern, so zumindest der Subtext. Überraschend war diese Aussage insbesondere deshalb, weil die verfügbaren Analysen kaum entsprechende Evidenz liefern. Selbst internationale Organisationen wie die OECD oder IWF, welche dem Arbeitnehmerschutz gegenüber skeptisch eingestellt sind, sind in jüngster Zeit zum Schluss gekommen, dass der Abbau des Arbeitnehmerschutzes nur unter gewissen Bedingungen und – wenn überhaupt – nur langfristig positive Wirkungen haben kann. Zur Senkung der Arbeitslosigkeit in den nächsten Jahren sind solche Massnahmen ungeeignet. Sie würden sogar zu mehr Arbeitslosigkeit führen. Liest die SNB nicht einmal diese Studien?
Die OECD kam im Employment Outlook vom vergangenen Mittwoch zum Schluss, dass der Abbau des Kündigungsschutzes über den Zeitraum der Szenarien von vier Jahren grundsätzlich negative Beschäftigungswirkungen hat. Diese Negativwirkungen fallen nur dann weg, wenn sich die betroffene Wirtschaft in einem Aufschwung bzw. in einer Phase mit Beschäftigungswachstum befindet. Dann gibt es weder einen positiven noch einen negativen Einfluss. Zur Milderung von negativen Effekten könnte beim Kündigungsschutz z.B. eine Besitzstandgarantie gewährleistet werden – so die OECD.
Der IWF hat bereits im März 2016 eine ähnliche Analyse publiziert. Er kam zum Schluss, dass es generell schwierig sei, die Auswirkungen von Arbeitsmarktreformen zu quantifizieren. Positive Wirkungen seien am ehesten in Aufschwungphasen feststellbar, wobei es nicht eindeutig sei, wie viel der zusätzlichen Beschäftigung durch den Aufschwung bedingt ist und wie viel von der Reform herrührt. In Rezessionen seien die Auswirkungen negativ. Die Empfehlung: „Arbeitsmarktreformen“ seien am besten zusammen mit unterstützenden fiskal- und geldpolitischen Massnahmen („supportive fiscal or monetary policy“) durchzuführen. Mit anderen Worten: Die IWF-Forscher raten von einem isolierten Abbau des Arbeitnehmerschutzes in Phasen hoher Arbeitslosigkeit ab.
Wie man es dreht und wendet: In der Eurozone führt kein Weg an einer Konjunkturstimulierung vorbei – wobei die Geldpolitik, welche sich in einer Art Liquiditätsfalle befindet, durch eine aktive Fiskalpolitik unterstützt werden muss.
- 0 Kommentare Kommentar(e)
Mein Kommentar
Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.