Bericht des Bundes zur Stempelsteuer: Gab es da mal eine Finanzkrise?
Die EU-Kommission will eine Finanztransaktionssteuer einführen. Die Schweiz hat eine - die Stempelsteuer (genauer die Umsatzabgabe). Doch der Bundesrat prüft eine "schrittweise" Abschaffung. Dazu hat eine verwaltungsinterne Arbeitsgruppe einen Bericht vorgelegt.
Die EU will mit der Finanztransaktionssteuer (auch Tobin tax) drei Ziele erreichen:
- Die Banken sollen für die Rettungspakete und staatlichen Garantien zahlen.
- Die Bankdienstleistungen sind nicht mehrwertsteuerpflichtig. Dieser steuerliche Vorteil soll durch die Transaktionssteuer verringert oder beseitigt werden.
- Die Transaktionssteuer soll helfen, Finanzmarkt-Krisen zu verhindern - beispielsweise indem automatischer, elektronischer Handel verteuert wird.
Ob die Transaktionssteuer tatsächlich hilft, das Risiko künftiger Finanzkrisen zu verringern, ist umstritten. Die Diskussion dreht sich vor allem darum, ob mit dieser Steuer kurzfristige Ausschläge verhindert werden können, die Krisen auslösen oder verstärken. Die Gegner behaupten, dass kurzfristig orientierte Anleger (Noise trader) zur Liquidität auf den Märkten beitragen und glättend wirken. Die Befürworter hingegen gehen von einer destabilisierenden Wirkung der Noise trader aus.
In letzter Zeit ist die Frage der Noise trader wieder neu aufgeworfen worden. Einerseits hat die Finanzkrise viele Gewissheiten über den Haufen geworfen - beispielsweise, dass die Märkte nicht immer liquide sind, sondern dass die Liquidität auf den Märkten im Gegenteil rasch versiegen kann. Anderseits ist mit der höheren Rechenleistung der Computer möglich, automatisch über Algorithmen an der Börse mit extremem Tempo zu handeln. Die Augen in Bezug auf die damit verbundenen Risiken geöffnet hat der Flash-crash auf den US-Aktienbörsen am 6. Mai 2010. Automatische Handelssysteme können unter gewissen Bedingungen sehr viele Transaktionen auslösen (eine Art Liquiditätsschwemme) - ab einem gewissen Punkt sich aber vom Handel verabschieden (Austrocknen der Liquidität). Das kann zu deutlich erhöhter Volatilität mit Absturzgefahr führen. Andrew Haldane, der Leiter der Abteilung Finanzstabilität der Bank of England hat dazu eine interessante Studie veröffentlicht.
Der Bund ist diesbezüglich um Jahre zurück. Der Bericht zur "schrittweisen" Abschaffung der Stempelsteuer enthält zwar ein Kapitel darüber, ob die Umsatzabgabe eine Finanztransaktionssteuer ist und wie diese volkswirtschaftlich zu beurteilen sei. Doch das Kapitel stammt aus dem Jahr 2003! Also vor der Finanzkrise und vor der Verbreitung von hochfrequentem Computerhandel. Hier hat jemand seine Aufgaben nicht gemacht. Der Bericht ist so sicher nicht brauchbar.
Die Abschaffung der Stempelsteuer würde nicht nur extreme Ausfälle für den Bund bedeuten (bis zu 3 Mrd. Fr./Jahr), sondern den Finanzsektor weiter steuerlich begünstigen. Gemäss Haldane erhält der Sektor direkt oder indirekt (Garantien) Milliardensubventionen, die das starke Wachstum des Sektors in der Vergangenheit angetrieben haben.