Überlegene kollektive Organisation: Bessere Lage der Arbeitnehmenden bei marktmächtigen Firmen und höhere Altersrenten
Eine kollektive Organisation hat in den Sozialversicherungen aber auch in der Beschäftigungs- und Lohnpolitik für die Individuen beträchtliche Vorteile.
In der 2. Säule der Altersvorsorge können die Pensionskassen dank der grossen Zahl der Versicherten die Vorsorgeguthaben längerfristig anlegen und so höhere Renditen erzielen. Einerseits ist die Versichertenpopulation ausreichend gross, so dass die Altersrenten aus Beiträgen der Aktiven bezahlt werden können und die Anlagen nicht verkauft werden müssen. Andererseits bringt ein überdurchschnittlich lang lebender Versicherter eine grössere Pensionskasse nicht aus dem Gleichgewicht.
Individuelle Sparpläne haben diese Vorteile nicht. Wer in einer Börsenbaisse pensioniert wird, muss Anlagen zu tiefen Kursen liquidieren. Dementsprechend muss man vorsichtiger anlegen. Was längerfristig zu tieferen Ertragsperspektiven führt.
Auch kollektive Regelungen der Löhne und Arbeitsbedingungen über Gesamtarbeitsverträge haben beträchtliche Vorteile. Zumindest für Arbeitnehmende, die nicht in Kaderpositionen sind und nicht von üppigen Bonuszahlungen profitieren. Mindestlöhne oder generelle Lohnabschlüsse führen in der Regel dazu, dass die tiefen und mittleren Löhne stärker steigen – auf Kosten der obersten Saläre. Insbesondere wenn über Allgemeinverbindlich-Erklärungen auch die schwarzen Schafe unter den Arbeitgebern einer Branche verpflichtet werden, branchenübliche Löhne zu zahlen. Über Gesamtarbeitsverträge können zudem alle Firmen in einer Branche verpflichtet werden, in Ausbildungsmassnahmen oder Bildungseinrichtungen zu investieren. Das verhindert ein Trittbrettverhalten von „ausbildungsfaulen Betrieben“ auf Kosten der ausbildenden Firmen.
Gesamtarbeitsverträge sind vor allem dann besonders wirksam, wenn die Arbeitgeber in einer Branche eine gewisse Marktmacht haben und Druck auf Löhne und Arbeitsbedingungen ausüben können. Marktmacht der Arbeitgeber ist verbreiteter als viele meinen, wie verschiedene neuere Untersuchungen feststellen. Eine solche Marktmacht kann aufgrund von lokalen Gegebenheiten resultieren. Beispielsweise eine grosse Firma in einer Region. Oder eine relativ abgelegene Region mit wenigen Arbeitgebern (wie in gewissen Schweizer Bergtälern). Oder bestimmte Berufe, die nur von einzelnen Firmen nachgefragt werden (Zug- oder Lokführer usw.). Vor diesem Hintergrund ist es alles andere als überraschend, dass die Einführung von Mindestlöhnen in vielen Fällen keine negativen Effekte auf die Beschäftigungssituation gehabt hat. Die Mindestlöhne haben in diesen Fällen die stärkere Marktstellung der Arbeitgeber korrigiert. Eine Studie für Deutschland hat versucht, diesen Zusammenhang genauer zu erforschen. Sie kommt zum Schluss, dass die Arbeitgeber-Marktmacht grösser ist, wenn in einer Branche viele Frauen, MigrantInnen oder weniger Qualifizierte arbeiten, wenn die Arbeitnehmenden in der Branche viel betriebsspezifisches Wissen haben (Lohnverlust bei Kündigung) oder wenn die Branche wenige Firmen mit Betriebsräten hat.