OECD-Bericht zur Schweiz: Interessante Fragen und Analysen – ökonomisch aber fragwürdige Antworten
Der neue OECD-Bericht zur Schweiz wirft ein paar interessante Fragen auf – wie beispielsweise warum das Produktivitätswachstum in der Schweiz relativ schwach ist. Und was dagegen getan werden kann. Die Antworten sind jedoch etwas speziell. Die Frankenüberbewertung kommt kaum vor, trotz den Seco-Studien, welche den Zusammenhang zwischen Überbewertung und Investitionszurückhaltung bzw. den negativen Auswirkungen auf die Produktivität klar aufzeigt. Was ebenfalls fehlt, ist eine ausführliche kritische Analyse der statistischen Grundlagen. Denn entgegen gewissen kapitalistischen Gesetzmässigkeiten sinkt die statistisch ausgewiesene Arbeitsproduktivität in gewissen Schweizer Dienstleistungssektoren seit einiger Zeit.
Die Empfehlung der OECD, den Marktzugang beim Service Public (Bahn, Kommunikation, Strom) zu erleichtern oder die Betriebe zu privatisieren, ist falsch. Das Schweizer Verkehrsnetz ist bereits stark ausgelastet. Es braucht mehr Investitionen und eine präzise Steuerung beim ÖV, um das Angebot zu optimieren. Im Strombereich zieht die Schweiz Firmen an, weil die Versorgung besonders sicher ist. Und im Telekombereich ist angesichts der starken Marktstellung eine Preisregulierung (ex-ante) nötig. Eine Privatisierung würde dazu führen, dass private Investoren die Marktstellung missbrauchen und die entsprechenden Gewinne einkassieren könnten.
Interessant sind die Ausführungen über die Frauenerwerbstätigkeit bzw. -erwerbsbeiteiligung. Hier schneidet die Schweiz im internationalen Vergleich relativ schlecht ab. Die OECD empfiehlt insbesondere, das Angebot an erschwinglichen familienexternen Betreuungsstrukturen zu fördern. Richtig ist auch die Bemerkung, dass höhere Steuerabzüge bei den Betreuungskosten nur den hohen Einkommen dienen würden.
Bemerkenswert ist die differenzierte Sicht auf den Arbeitnehmerschutz. Der Abbau von Schutzbestimmungen kann gemäss OECD zu einem tieferen Produktivitätswachstum führen, weil wegen den häufigeren Stellenwechseln Wissen verloren geht oder nicht geschaffen wird.
Die Ausführungen zur Altersvorsorge sind ökonomisch ziemlich uninteressant und politisch fragwürdig. Die OECD kritisiert zwar, dass die Schweizer Haushalte auch angesichts der Finanzierungsprobleme in der 2. Säule eher zu viel sparen würden. Doch statt dass sie diskutiert, inwiefern in diesem Umfeld nicht die AHV bzw. das Umlageverfahren gestärkt werden sollte, postuliert sie eine Erhöhung des Rentenalters. Obwohl weiter unten steht, dass die Schweiz Massnahmen gegen die Benachteiligung der älteren Arbeitnehmenden ergreifen sollte.