Weltweit schwaches Lohnwachstum: Bedeutende arbeitsmarktpolitische Ursachen
Die Reallöhne steigen in den meisten Ländern angesichts der guten Konjunktur nur schwach. In Deutschland ist die Erwerbslosenquote auf den tiefsten Stand der 1970er-Jahre gesunken. Dennoch stiegen die Reallöhne 2017/18 nur um rund 1 Prozent. Auch in den USA ist das Lohnwachstum relativ schwach (s. dazu das IMF Working Paper).
Die Ökonomen suchen auf der ganzen Welt nach möglichen Ursachen. Man kann dabei zwei Erklärungsansätze unterscheiden, nämlich makroökonomische und arbeitsmarktpolitische. Makroökonomisch weitgehend unbestritten ist, dass die Arbeitsproduktivität seit der Finanzkrise weniger stark zunimmt. U.a. weil die Firmen tendenziell weniger investieren. Umstritten ist hingegen, ob es „versteckte“ Arbeitslosigkeit gibt, welche den Lohnauftrieb trotz guten offiziellen Arbeitslosenzahlen hemmt, beispielsweise in Form von unfreiwilliger Teilzeitarbeit. Gemäss dem neusten OECD Employment Outlook ist das tatsächlich der Fall, aber vor allem in Ländern mit grösseren Beschäftigungsproblemen wie Griechenland, Italien oder Spanien. In Deutschland ist das hingegen nicht erkennbar. Dagegen ist die Erwerbstätigenquote nicht nur in Deutschland, sondern in der Eurozone insgesamt angestiegen.
Wahrscheinlich spielen deshalb die arbeitsmarktpolitischen Faktoren eine grössere Rolle. Paul Krugman weist darauf hin, dass die Unternehmen ihre Marktmacht auf dem Arbeitsmarkt wahrscheinlich haben verstärken können. Oder umgekehrt gesagt: Die Marktstellung der Arbeitnehmenden ist schwächer geworden. Effektiv wurden die Arbeitnehmerrechte während der Finanz- und Eurokrise beschnitten. Insbesondere in den südlichen Krisenstaaten haben die Regierungen und Parlamente den Geltungsbereich von Gesamtarbeitsverträgen reduziert. Die OECD weist darauf hin, dass sich die Arbeitslosenversicherungsleistungen in mehreren Staaten verschlechtert haben. Einerseits wegen politischen Leistungsverschlechterungen, andererseits wegen der höheren Anzahl Langzeitarbeitsloser, die schlechtere Leistungen haben. Die Arbeitslosen sind deshalb gezwungen, rascher einen schlechteren Job (zu einem schlechteren Lohn) anzunehmen. Dazu kommt, dass es die Gewerkschaften in den letzten Jahren nicht geschafft haben, ihren Organisationsgrad zu erhöhen.
Ein weiterer Faktor kann die bereits über eine lange Zeit tiefe oder sehr tiefe Teuerung spielen. Wenn es kaum Teuerung gibt, sinkt der Druck, Lohnverhandlungen zu führen. Für die Arbeitgeber wie für die Arbeitnehmer. In der Schweiz war das jedenfalls zur Zeit der Negativteuerung eindeutig der Fall. So braucht es wieder eine gewisse Zeit, bis sich die Lohnverhandlungsprozesse neu etabliert haben. Angesichts der nun wieder aufgekommenen Teuerung ist es nun aber höchste Zeit, dass sich das ändert. 2018 dürfte die Teuerung erstmals wieder bei rund 1 Prozent liegen.
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