Swiss cheese finish - Bundesrat will Kartellgesetz löchern
Kaum eine wirtschaftspolitische Frage ist in der Schweiz so politisch aufgeladen wie das Wettbewerbsrecht. Die frühere EVD-Vorsteherin Doris Leuthard bezog ihr wirtschaftspolitisches Standing zu einem grossen Teil aus der Kampfansage gegen die "Hochpreisinsel". Eigentlich ist es nichts Neues: Die Preisunterschiede gegenüber dem Ausland stammen zu einem grossen Teil aus dem regulierten Bereich (Landwirtschaft, Gesundheit, Wohnen usw.). Bei den übrigen Produkten sind die Differenzen zum Ausland - wenn vorhanden - weit geringer. Das Reputationsprojekt von Doris Leuthard "Cassis-de-dijon" hat - wie der SGB immer erwartet hat - kaum etwas daran geändert.
Nun entzündet sich die Frage an der Weitergabe von Wechselkursvorteilen. Das EVD hat dazu eine etwas bizarre Studie vorgelegt. Behauptet wurde beispielsweise, dass die Autopreise nicht gesunken seien. Dabei sieht jeder, der sich einigermassen informiert, dass nicht nur die Neuwagen, sondern auch die Occasionspreise im Krebsgang sind. Die verwendete Importpreisstatistik hat halt ihre Tücken.
Nicht zuletzt wegen dem Druck in Bezug auf die Weitergabe des Wechselkurses hat der Bundesrat beim Kartellgesetz eine Revision vorgeschlagen. Doch diese Revision - so eigenartig es klingt - wird das Kartellgesetz löchern statt stärken. Es handelt sich um einen Swiss cheese finish des EU-Kartellrechts.
- Indem die Wettbewerbskommission durch ein Bundeswettbewerbsbericht ersetzt wird, werden die Anwälte der Kartelle gestärkt und die Untersuchungsbehörden des Bundes (heute Sekretariat der Wettbewerbskommission Weko) geschwächt. Sie sollen nämlich vor dem Gericht gleichgestellt werden. Künftig werden Bussen gegen Kartelle seltener und tiefer ausfallen.
- Die Kartell-Unternehmen sollen in Zukunft so genannte Compliance Programme als strafmildernd geltend machen können. Vereinfacht gesagt: Haben sie intern dem Management beispielsweise angewiesen, keine Kartelle zu bilden, so sollen die Bussen geringer ausfallen. Das gibt ein neuesSchlupfloch für Kartelle. Und es erschwert die Arbeit der Behörden, indem sie beim Entscheid berücksichtigt werden müssen. In der Praxis dürfte das zu grossen Schwierigkeiten führen.
- Das Verbot von Vertikalabreden ist volkswirtschaftlich falsch. În der Folge können beispielsweise mehr grosse, integrierte (Gross-und Detailhandel bei der gleichen Firma) Firmen entstehen, die nicht belangt werden können. In den Wirtschaftswissenschaften wird deshalb von einem solchen Verbot abgeraten. Empfohlen wird die Einzelfallprüfung wie im heutigen Gesetz.
- Mit der neuen Fusionskontrolle wird es einem kleinen Land wie der Schweiz schwerer gemacht, von wirtschaftlichen Grössenvorteilen zu profitieren.
- Der Bundesrat hat die Einmischungsmöglichkeiten der Weko in den Service public im Gesetz gelassen. Bereits in der Vergangenheit hat das zu volkswirtschaftlich falschen Entscheiden – wie beispielsweise in der Stromversorgung – geführt.
Es wird nun Aufgabe des Parlamentes sein, diese Löcher im Kartellgesetz zu verhindern bzw. die volkswirtschaftlich unsinnigen Vorschläge zu versenken. Das heutige Kartellgesetz funktioniert. Dass gewisse Preise in der Schweiz höher sind als im Ausland, liegt nicht am Kartellgesetz, sondern beispielsweise an der Landwirtschaftspolitik.