Wettbewerbsfähigkeit der südlichen Euro-Länder - eine neue Analyse
Die Sanierungspakete für die südlichen EU-Länder sind vor allem angebotsorientiert. Sie gehen von der Annahme aus, dass die Länder preislich zu wenig wettbewerbsfähig sind, um sich selber zu finanzieren. In der Regel wird diese Argumentation durch den Vergleich der Entwicklung der Lohnstückkosten seit der Euro-Einführung begründet. Die Lohnstückkosten in diesen Ländern stiegen stärker als diejenigen in einem grossen Teil der nördlichen EU-Staaten. Deshalb hätten die südlichen Länder Handels- und Leistungsbilanzdefizite.
Diese Analyse ist nicht erhärtet. Erstens sagt ein Vergleich der Entwicklung von Lohnstückkosten noch nichts über deren Héhe aus. Dabei wäre die Höhe entscheidend. Zweitens können steigende Lohnstückkosten auch das Resultat einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft sein. Denn wenn die Produktivität in der Exportwirtschaft steigt, treibt das früher oder später auch die Löhne in der Binnenwirtschaft in die Höhe. Wenn die Angestellten in der Exportwirtschaft mehr verdienen, steigen auch die Löhne der Coiffeure oder der Gastroangestellten. Doch die Möglichkeiten, bei diesen Dienstleistungen die Produktivität zu erhöhen, sind sehr begrenzt. Das führt dann in der Statistik zu gesamtwirtschaftlich höheren Lohnstückkosten.
Ronald Janssen hat diese Fragen für den Europäischen Gewerkschaftsbund untersucht (Janssen). Seine Schlussfolgerungen: Die südlichen Staaten haben kein Problem mit der preislichen Wettbewerbsfähigkeit ihrer Exportwirtschaft. Obwohl die Lohnstückkosten gestiegen sind, konnten sie ihre Anteile an den Exporten weltweit, aber z.T. auch im Euroraum halten. Der Anstieg der Lohnstückkosten ist die Folge eines Booms in der Binnenwirtschaft - auch aufgrund der tieferen Zinsen nach der Euro-Einführung. Lohnsenkungen und Sparprogramme sind gemäss dieser Analyse somit das falsche Rezept. Sie werden die Krise verstärkein.
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