Wegen der sich verschlechternden Konjunktur dürfte die Zahl der registrierten Arbeitslosen auch unter Ausschluss von Saisoneffekten nicht mehr weiter abnehmen, sondern sie wird im Gegenteil wohl steigen. Im Durchschnitt des ganzen Jahres 2008 werden ungefähr 100'000 Personen bei den Arbeitsämtern als arbeitslos registriert gewesen sein. Das ist deutlich mehr als in der letzten Hochkonjunkturperiode, als im Jahr 2001 ein Tiefstwert von rund 67000 Personen erreicht wurde (Link). Und das, obwohl die Zahl der Beschäftigten im Aufschwung seit 2004 um fast 30'000 Personen und somit mehr als im Aufschwung nach 1997 (knapp +25000) zugenommen hat. Warum hat die Arbeitslosigkeit nicht stärker abgenommen?
Hauptursache dafür ist, dass sich die Sozialleistungen in der Schweiz in den letzten Jahren verschlechtert haben. Im Jahr 2001 wurde das Frauenrentenalter von 62 auf 63 Jahre und 2005 von 63 auf 64 Jahre erhöht. Gleichzeitig haben die Pensionskassen ihr Rentenalter angehoben. Und das nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer. Im Jahr 2002 lag das durchschnittliche Rentenalter in den Pensionskassenreglementen noch bei 63.07 Jahren. Fünf Jahre später, im Jahr 2007, gingen die Versicherten bei Schweizer Pensionskassen im Mittel über ein Jahr später in Pension. Das reglementarische Rentenalter lag dann bei 64.15 Jahren (Link). Dazu kommen weniger gute Leistungen bei Frühpensionierungen. Diese Erhöhung des Rentenalters führt dazu, dass gegen 50'000 Personen mehr erwerbstätig sind, als dies beim tieferen Rentenalter der Fall gewesen wäre. Dazu kommen Verschärfungen bei der IV. Seit 2002 ist die Zahl der Neurenten von rund 28'000 pro Jahr auf 18'800 (2007) gesunken. Das dürfte ebenfalls Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen haben. Insgesamt haben diese Massnahmen dazu geführt, dass im laufenden Jahr rund 50'000 Personen mehr auf dem Arbeitsmarkt sind, als dies unter den Sozialleistungen des Jahres 2001 der Fall gewesen wäre.
Die 2002 eingeführte Personenfreizügigkeit mit der EU hingegen wird - wenn überhaupt - nur in deutlich geringerem Masse zu diesem Anstieg beigetragen haben. Bereits vor Einführung der Personenfreizügigkeit hatten Schweizer Unternehmen in der Regel keine Probleme, qualifiziertes Personal im Ausland zu rekrutieren (Link, S. 4). Die Zunahme der Erwerbstätigen aus der EU ist daher weniger eine Folge der Personenfreizügigkeit, sondern in erster Linie auf den deutlich gestiegenen ARbeitskräftebedarf der Unternehmen zurück zu führen. Was mit der Personenfreizügigkeit aber neu eingeführt wurde, war, dass a) ausländische Firmen maximal 90 Tage in die Schweiz arbeiten kommen konnten und b) Temporärbüros Personen aus dem Ausland in die Schweiz holen konnten. Daraus ergab sich ein zusätzliches Arbeitsvolumen von rund 20'000 Stellen, wobei gegen die Hälfte dieser Stellen frühere Saisonjobs im Gastgewerbe und auf dem Bau ersetzte. In Bezug auf die Arbeitslosenversicherung hat sich geändert, dass Kurzaufenthalter, die mehr als ein Jahr in die Schweizer ALV einbezahlt haben, neu Leistungen in Anspruch nehmen können. Gemäss Seco-Studie handelte es sich im vergangenen Jahr dabei um etwas über 5000 Personen (Link, S. 105). Was die Bezugsmöglichkeiten von AufenthalterInnen betrifft, hat sich hingegen nichts Wesentliches geändert.
Wenn die SVP nun eine Angst-Kampagne gegen die Personenfreizügigkeit macht, indem sie behauptet, die Arbeitskräfte aus der EU würden die Schweizer Arbeitslosenversicherung belasten, lenkt sie davon ab, dass sie eigentlich eine der Hauptschuldigen an dieser Entwicklung ist. Sie hat in den letzten Jahren wesentlich zur Verschärfung bei der sozialen Sicherheit in der Schweiz beigetragen.