Arbeitsplatz-Angstszenarien mit "Digitalisierung" haben lange neoliberale Tradition
Viele Menschen werden heute durch düstere Arbeitsplatz-Szenarien verunsichert. Wir befänden uns in einer Phase der „Digitalisierung“ und der „disruptiven technologische Veränderungen“ in der viele Stellen verloren gehen. Wer weiter arbeiten will, müsse sich anpassen und bereit sein, sich auch stark beruflich zu verändern.
Solche Szenarien sind alles andere als neu. Sie sind wesentlicher Bestandteil der neoliberalen Doktrin. Einer der intellektuellen Begründer der Neoliberalismus, Walter Lippmann, hat dieses Konzept in seinem Werk „The good society“ im Detail entwickelt. Der „Markt“ bestimmt, die Menschen müssten sich anpassen
Die Realität der Schweizer Wirtschaft präsentiert sich etwas anders. Grosse Teile der Wirtschaft wurden in den 1980er und den 1990er Jahren schon stark digitalisiert. In den Büros sind Computer schon lange das Hauptwerkzeug. Die Wertpapierverarbeitung und der Zahlungsverkehr in den Banken sind grösstenteils elektronisch - ebenso die Logistik im Detailhandel.
Auch der berufliche Wandel ist nichts Ausserordentliches. Das kann man anhand der Statistik der Berufe in der Schweiz zeigen. Die Statistik zeigt, welche Berufe die Erwerbstätigen gelernt haben und in welchen sie heute arbeiten. Daraus lässt sich ein Indikator für die berufliche Entwicklung ableiten - indem die Differenz (Betrag) zwischen der Anzahl Erwerbstätiger im ausgeübten und im gelernten Beruf ausgerechnet wird. Dieser Indikator hat sich zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2017 kaum verändert. Er lag im Jahr 2000 ("Volkszählung") bei 0.45. Im Jahr 2010 betrug der Wert 0.47 (neue Statistik mit "Strukturerhebung"). 2017 ist er immer noch gleich hoch.
Diese Zahlen spiegeln eine Realität, die nicht mit den Angstszenarien übereinstimmt. Das bedeutet aber natürlich in keiner Weise, dass man sich nicht aus- und weiterbilden soll. Doch soll dies nicht fremdbestimmt über Ängste und Verunsicherung geschehen. Sondern selbstbewusst und im Einklang mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen.
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