Überraschend erhält die Nationalbank SNB heute auch von der WoZ Applaus für den Ausstieg aus dem Mindestkurs. Die Argumentation: Die SNB hätte die Kosten der Schweizer Exportwirtschaft mit dem Mindestkurs im Vergleich zum Ausland unfairerweise tief gehalten. Die Schweiz hätte dadurch mehr exportieren können als sie importiert – zum Schaden beispielsweise der Krisenländer in der Eurozone.
Doch leider wäre sogar der von der WoZ gelobte SNB-Direktoriumspräsident Jordan anderer Ansicht als der WoZ-Artikel. Denn 2013 sagte er in einem Referat zu den heute auch von der WoZ vorgebrachten Argumenten: „Diese Argumentation basiert auf Unkenntnis der Situation der Schweiz und führt daher auch zu einer mitunter fehlgeleiteten Diskussion über unsere Geldpolitik“ (S. 3).
Warum hat die WoZ nicht Recht? Beispielsweise importiert die Schweiz viel mehr Waren aus der Eurozone als sie dorthin exportiert. Gemäss offiziellen Statistiken fliessen pro Jahr rund 20 Mrd. Fr. aus der Schweiz in die Eurozone ab. Die Schweizer Firmen erhielten durch die Franken-Untergrenze nicht einen Vorteil auf Kosten der Firmen im Euro-Raum, sondern wie wurden vor einen noch stärkeren Wettbewerbsnachteil geschützt. Denn der Franken war auch mit Untergrenze stark überbewertet. Schätzungen mit SNB-Statistiken zeigen, dass der „faire“ Kurs zwischen 1.30 und 1.35 Fr./Euro liegen dürfte. Ein weiterer Beleg für die Überbewertung ist der Einkaufstourismus. Wäre der Franken „fair“ bewertet, würde sich ein Einkauf ausserhalb der Schweiz nicht lohnen.
Die WoZ schreibt, dass die Schweiz einen Ertragsbilanzüberschuss hat. Gemäss den offiziellen Statistiken stimmt das. Zählt man alle grenzüberschreitenden Transaktionen zusammen (Waren, Dienstleistungen, Kapitalerträge, Löhne) so nimmt die Schweiz im Mittel mehr als 50 Mrd. Fr. mehr als dem Ausland ein, als sie ausgibt. Doch mit dem Franken/Euro-Kurs hat das nichts zu tun. Wenn schon, dann eher mit der Schweizer Steuerpolitik. Dazu ist auch die oben erwähnte Rede von Thomas Jordan sehr lesenswert.
Erstens werden die Abflüsse ins Ausland unterschätzt. Gewinne von ausländischen Firmen in Schweizer Besitz werden zwar voll verbucht. Doch die Gewinnanteile der vielen ausländischen Aktionäre der Schweizer Multis werden nur erfasst, wenn sie als Dividende effektiv ausgeschüttet werden.
Zweitens stammt ein grosser Teil der Überschüsse aus dem so genannten Transithandel. Beispielsweise dem Rohstoffhandel von Schweizer Firmen im Ausland. Das ist der Handel mit Produkten, die die Schweizer Grenze gar nie überschreiten – also beispielsweise den Kauf einer Öllieferung im mittleren Osten und den Verkauf dieser Lieferung in den USA. Solche Geschäfte werden in Dollar getätigt. Die Erträge werden den Rohstoffhändlern in der Schweiz gutgeschrieben. Diese Firmen sind nicht wegen dem Frankenkurs in der Schweiz. Sondern u.a. wegen Steuerprivilegien, aber auch wegen dem vorhandenen Bank-Know-How, dem Personal u.a.
Drittens dürften gewisse Schweizer Firmen versuchen, einen grossen Teil ihrer Gewinne in die Schweiz zu transferieren, weil sie hier weniger Steuern zahlen. Dadurch verrechnen sie ihren ausländischen Betriebsteilen höhere Preise. Das führt in der Statistik zu einem Überschuss, der mit dem Wechselkurs nichts zu tun hat.
Viertens stammt ein weiterer grosser Anteil an diesem Überschuss aus Finanzdienstleistungen für Personen im Ausland. Auch hier spielen u.a. steuerliche Faktoren eine Rolle (Bankgeheimnis u.a.). Der Frankenkurs ist weitgehend irrelevant.
Die starke Frankenaufwertung wird an diesen vier Faktoren nichts ändern. Wenn schon, dann sind es steuerliche Massnahmen wie die Aufhebung gewisser Steuerprivilegien (USRIII) oder die Aufhebung des Bankgeheimnisses. Durch die Frankenüberbewertung stark gefährdet sind hingegen der Tourismus und die Exportindustrie. Der bereits zu 1.20 Fr./Euro überbewertete Franken ist nun noch stärker. Die Arbeitnehmenden in diesen Branchen machen sich grosse Sorgen um ihre Löhne und Arbeitsplätze. Es wäre absurd, wenn sie der WoZ weniger wichtig wären als die steuerlich privilegierten Überschussbereiche der Konzernzentralen, Rohstoffhändler und der reichen Steuerflüchtlinge aus dem Ausland. Die WoZ sollte nochmals über die Bücher.