Stärkere wirtschaftliche Verflechtung der Kantone - Massnahmen gegen Steuerdumping nötig
Die politischen Kantonsgrenzen weichen vielerorts von den Grenzen ab, die sich aus einer wirtschaftlichen Gliederung ergeben würde. So können Auswärtige die Grenze zwischen den Kantonen Aargau und Zürich im Limmattal nur schwer zeichnen. Auch Solothurn und Aargau haben starke wirtschaftliche Überschneidungen. Angesichts der Tatsache, dass die Kantonsgrenzen zum Teil napoleonischen Ursprungs sind, ist das wenig überraschend.
Die wirtschaftliche Verflechtung der Kantone hat in jüngerer Zeit spürbar zugenommen. Heute pendeln 20 Prozent der Berufstätigen in einen anderen Kanton zur Arbeit – gegenüber 12 Prozent im Jahr 1990. Betrachtet man nur die kleineren Städte, ist das Ausmass wesentlich höher. Spitzenreiter ist Olten mit 41 Prozent der Berufstätigen. Weitere Beispiele sind Murten (39%), Zofingen (37%), Frauenfeld (34%) oder Will SG (34%).
Mit der neuen Spitalfinanzierung ist es einfacher, sich ausserkantonal behandeln zu lassen. Heute gehen fast 20 Prozent der PatientInnen in ein Spital ausserhalb ihres Wohnkantons gegenüber etwas über 15 Prozent im Jahr 2016.
Diese Zahlen sind insbesondere bedeutend, weil die Kantone im Bereich des Gesundheitswesens und der Bildung eine Schlüsselrolle spielen. Sie tätigen zwei Drittel der öffentlichen Bildungsausgaben und 80 Prozent der Gesundheitsausgaben.
Umso problematischer ist es, dass die Steuern für Unternehmen und einkommensstarke Haushalte in den letzten 10 bis 20 Jahre deutlich gesenkt wurden. Der Steuersenkungswettlauf der politischen Kantone hat eindeutige Spuren hinterlassen. Es stellt sich zunehmend die Frage, ob die Steuerpflichtigen noch korrekt besteuert werden, oder ob – insbesondere bei den Unternehmen – eine Unterbesteuerung vorliegt.
Die Schweiz steht daher vor der Frage, ob die politischen Strukturen mit dem Steuerföderalismus, aber auch der beschränkten Zusammenarbeit zwischen den Kantonen bzw. Bund und Kantonen in den Schlüsseldossiers noch angemessen sind. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass eine verstärkte Steuerharmonisierung bzw. Massnahmen gegen den Steuersenkungswettlauf die Finanzierung der öffentlichen Dienste stabilisieren würden.
Völlig in die falsche Richtung gegen die Vorschläge der Radikalföderalisten unter den Ökonomen. Der Luzerner Prof. Schaltegger kritisiert beispielsweise, dass der heutige Finanzausgleich Firmenansiedlungen für Nehmerkantone unattraktiv machen würde. Deshalb müsse man beispielsweise die Firmengewinne aus der Berechnung der kantonalen Ressourcen ausschliessen. Solche Ansätze greifen viel zu kurz. Sie ignorieren nicht nur die immer stärkere Verflechtung der Kantone. Sondern sie vergessen auch, dass Kantone Fixkosten haben, die sie ebenfalls decken müssen. Wenn ein Kanton von Abwanderung betroffen ist, wird es schwieriger, das Spital zu finanzieren. Allenfalls halten plötzlich Schnellzüge nicht mehr. Oder fehlt zunehmen Geld für den Infrastrukturunterhalt.
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