Starkes Produktivitätswachstum - nun müssen die Löhne steigen
In den letzten beiden Jahren ist die Arbeitsproduktivität in der Schweiz wieder um beachtliche 2 Prozent (2017) bzw. 2.2 Prozent (2018) gewachsen. Das lässt sich mit den gestern vom BFS veröffentlichten Arbeitsstundenzahlen berechnen. Vom weltweit beklagten schwachen Produktivitätswachstum ist hierzulande nicht viel zu spüren. Selbst wenn man die schwierigen Jahre 2015/2016 mit der Mindestkursaufhebung berücksichtigt, beträgt das jährliche Wachstum immer noch 0.8 Prozent.
In den Löhnen hat sich das nicht niedergeschlagen. Die Reallöhne sind im selben Zeitraum gesunken, wobei der Lohnindex des BFS die effektive, gesamtwirtschaftliche Lohnentwicklung um vielleicht einen halben Prozentpunkt jährlich unterschätzt. Denn er blendet einen Teil des produktiven Strukturwandels aus, in dem er die Lohnerhöhung bei gleichbleibender beruflicher Tätigkeit misst.
Wenig erfreulich ist auch die vom BFS geschätzte Lohnentwicklung fürs erste Quartal 2019. Diese liegt bei nominal 0.5 Prozent – angesichts der ungefähr gleich hohen Teuerung ungefähr eine Nullrunde.
Für diese ungenügende Lohnentwicklung gibt es mehrere Ursachen:
- In den Jahren mit negativer oder Null-Teuerung ist das Thema des Teuerungsausgleichs aus den Lohnverhandlungen verschwunden. Die Arbeitgeber markieren nun Härte. Es braucht zusätzliche „gewerkschaftliche Energie“, um den Teuerungsausgleich wieder zu etablieren.
- In allen Krisenjahren ist es den Gewerkschaften gelungen, Nominallohnerhöhungen auszuhandeln. Nun gibt es Gegendruck der Arbeitgeber.
- Die Pensionskassen und Frühpensionierungslösungen brauchen mehr Geld. Bei den SBB gibt es mit dieser Begründung von 2017 bis 2020 nur noch generelle Lohnerhöhungen, wenn die Teuerung über 1.2 Prozent beträgt. Im Bauhauptgewerbe wurden die GAV-Löhne von 2014 bis 2018 nicht erhöht, dafür zahlten den Arbeitgeber 1.5 Beitragsprozente mehr in den FAR.
- Die Frankenüberbewertung und die Finanzkrise haben den Verhandlungsspielraum in zahlreichen Industriebranchen substanziell verringert. Im Aufschwung ist der Wechsel in eine Offensivlogik noch nicht überall gelungen.
- Die Unterbeschäftigung in der Schweiz ist im historischen Vergleich nach wie vor hoch. Der Arbeitskräftemangel ist insgesamt noch nicht sehr ausgeprägt.
- Der Druck auf die Löhne ist in gewissen Branchen gestiegen. Wegen der Frankenüberbewertung, aber auch wegen strukturellen Veränderungen. So wirkt sich beispielsweise der zunehmende Onlinehandel aus dem Ausland – zusammen mit der Verbreitung von neuen, privaten Logistikanbietern – negativ auf die Löhne in der Logistik und im Detailhandel aus.
Nun muss das Steuer herumgerissen werden. Die Löhne müssen steigen. Damit auch die Arbeitnehmenden – vor allem die langjährigen MitarbeiterInnen – vom Aufschwung profitieren.
- 0 Kommentare Kommentar(e)
Mein Kommentar
Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.