"Strukturreformen" statt Geld- oder Fiskalpolitik: Ein Njet aus der gegenwärtig stattfindenden IWF-Forschungskonferenz
In letzter Zeit ist die Kritik an der expansiven Geldpolitik in der Eurozone wieder lauter geworden. Es brauche „Strukturreformen“ – konkret beispielsweise einen Abbau des Arbeitnehmerschutzes u.a. – damit sich die wirtschaftliche Lage verbessern würde. Gewisse Kreise kritisieren die Negativzinsen sogar als schädlich. Auch das Direktorium der SNB hat übrigens solche „Strukturreformen“ verlangt.
Ein elaborierter Beitrag zu diesem Thema wird morgen an der Forschungskonferenz des IWF „Macroeconomics after the Great Recession“ präsentiert werden. Giuseppe Bertola untersucht die Haupttreiber der Arbeitslosigkeit in Europa seit den 1970er Jahren. Dabei bezieht er sich vor allem auf eine ökonomische Debatte in den 2000er Jahren, welche sich mit der Frage auseinandersetzte, inwiefern unterschiedliche Regulierungen die Höhe Arbeitslosenquote beeinflussen. Die (klassische) Sicht, dass ein besserer Arbeitnehmerschutz zu höherer Arbeitslosigkeit führen würde, wurde dabei in den meisten Studien widerlegt. Es stellten sich neue Fragen wie z.B. ob gewisse Arbeitnehmerschutzregelungen sich unter bestimmten wirtschaftlichen Entwicklungen oder Schocks einen stärkeren oder schwächeren Einfluss auf die Arbeitslosigkeit haben.
Seither ist die Finanzkrise ausgebrochen. Eine erneute Untersuchung der Daten mit denselben Fragestellungen ist deshalb interessant. Die Ergebnisse der ökonometrischen Ländervergleiche sind jedenfalls bemerkenswert. Die Arbeitsmarktregulierungen spielen fast keine Rolle bei der Erklärung der unterschiedlichen Arbeitslosenquoten. Namentlich der Kündigungsschutz spielt gar keine Rolle. Haupttreiber ist - für viele wenig überraschend – die makroökonomische Entwicklung bzw. konkret die Höhe des Realzinssatzes bzw. die Geld- und Fiskalpolitik: „The most robust and policy-relevant empirical driver of unemployment is the real interest rate, driven in turn not only by exogenous shocks but also by fiscal and monetary policies.“ Der Ball geht daher an die Geld- und Fiskalpolitik zurück. Die Grafiken auf S. 26 zeigen, dass sich mit diesem Modell auch der Rückgang der Arbeitslosigkeit in Deutschland in den letzten Jahren gut erklären lässt. D.h. die Hartz-Reformen dürften – wie mittlerweile in vielen Untersuchungen zum Ausdruck kommt – nur einen geringen Beitrag geleistet haben.
Erfrischend sind übrigens die Schlussworte an die ÖkonomInnen. Er rät ab, einfache wirtschaftspolitische Ratschläge zu geben, u.a. da die Politik immer auch Verteilungswirkungen hat. Ökonomen können zwar helfen, verschiedene Massnahmen zu evaluieren. Aber: „It would be strange if economists knew better about institutions than policy-makers and than the citizens who elect them.“
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