Frankenüberbewertung: Reallohnwachstum in der Schweiz deutlich schwächer als in Deutschland
„Wegen den sinkenden Preisen, könnt ihr mit eurem Lohn mehr kaufen“, wurden die Arbeitnehmenden in der Schweiz von offizieller Seite nach der Aufgabe des Mindestkurses getröstet. Für diejenigen, welche wegen der Frankenaufwertung die Stelle verloren haben, war das ein schwacher Trost. Doch auch für die übrigen Berufstätigen geht die Rechnung immer weniger auf.
Fürs erste Quartal 2017 meldete das Bundesamt für Statistik ein Nominallohnwachstum von 0.1 Prozent. Bei einer Teuerung von 0.3 Prozent bedeutet das, dass die Reallöhne sinken. Das deutsche statistische Amt gab fast gleichzeitig einen Anstieg der Tariflöhne von 2.8 Prozent bekannt. Bei einer Teuerung von 1.9 Prozent ergibt das einen Reallohnzuwachs von fast 1 Prozent. Das zeigt: Wenn die Konjunktur gut läuft, steigen auch die Reallöhne.
Die deutschen Reallöhne steigen bereits seit drei Jahren im Mittel rund 2 Prozent pro Jahr. In der Schweiz war das Reallohnwachstum mit jährlich 1.1 Prozent fast halb so hoch. Oder gleich hoch wie im krisengeplagten Frankreich.
Ginge es nach den Arbeitgebern, wäre die Differenz noch viel grösser. Zu Beginn der Aufwertung gab es verschiedene Firmen, welche sogar versuchten, die Löhne zu senken. Diese Versuche konnten durch dezidierte gewerkschaftliche Interventionen verhindert werden. Sei es durch Streiks (im Tessin) oder durch (gewonnene) Klagen vor Gericht (Basel). Die Gewerkschaften haben es sogar geschafft, in einem widrigen Umfeld Nominal- und Reallohnerhöhungen durchzusetzen. Doch der überbewertete Franken stand grösseren lohnpolitischen Fortschritten im Weg.
Die Schweiz gehört zwar nach wie vor zu den Ländern mit den höchsten Löhnen in Europa. Doch unser Land hat einen Teil des Lohnvorsprungs eingebüsst. Die Frankenüberbewertung kommt die Arbeitnehmenden teuer zu stehen.
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