Lohndruck durch Marktmacht der Arbeitgeber. SGB-Verteilungsbericht präsentiert gewerkschaftliche Gegenmassnahmen
Einer der interessantesten Aufsätze zum schwachen Lohnwachstum in vielen Ländern stammt um US-Arbeitsmarktökonomen Alan Krueger. Krueger liefert für die USA viele Belege dafür, dass die Marktmacht der Arbeitgeber auf dem US-Arbeitsmarkt auf Kosten der Arbeitnehmenden gestiegen ist. Mit negativen Auswirkungen auf die Löhne. Beispielsweise über Absprachen in diversen Branchen, über Abwerbeverbote in Franchiseverträgen, über eine höhere Firmenkonzentration oder verbreitetere Konkurrenzverbote in Arbeitsverträgen. Die Arbeitgeber könnten heute ihre Marktmacht besser durchsetzen, weil die Gewerkschaften geschwächt und die Mindestlöhne unzureichend erhöht wurden.
Diese Analyse lässt sich nicht 1:1 auf die Schweiz übertragen. Dennoch gibt es auch hierzulande Belege für solche oder ähnliche Entwicklungen. Auffällig ist die Zunahme der Temporärarbeit seit Mitte der 1990er Jahre von rund 0.5 auf 2.3 Prozent des Arbeitsvolumens, welche es den Firmen erlaubt, die Anstellungsbedingungen stärker auf ihre Bedürfnisse auszurichten. Viele Dienstleistungsjobs wie Reinigung oder Gastronomie wurden aus besserbezahlenden Branchen (Banken etc.) ausgegliedert, wodurch neu tiefere Löhne bezahlt werden. Im Bau wurde die Wertschöpfungskette aufgesplittert, was ebenfalls zu grösseren Differenzen zwischen besser und schlechter bezahlenden Firmen geführt haben dürfte (Schaler, Eisenleger usw. vs. Spezialarbeiter). In diversen Branchen dürfte die grössere Konzentration eine negative Rolle spielen – so z.B. im Journalismus.
Mit dem internationalen Onlinehandel kommt eine neue Form des Lohndrucks auf die Schweiz zu. Indem grosse ausländische Anbieter wie Amazon oder Zalando mit deutlich tieferen Löhnen die Schweiz aus den umliegenden Ländern beliefern und die Detailhandelslöhne unter Druck setzen.
Die schlechtere Arbeitsmarktsituation für ältere Arbeitnehmende dürfte ebenfalls eine Rolle spielen. Die Arbeitgeber dürften ausgenützt haben, dass der Firmen- oder Arbeitsplatzwechsel für sie mit grossen Risiken verbunden ist. Zumindest dürfte das erklären, warum die Löhne von langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den letzten Jahren nur schwach gestiegen sind.
Bei der Präsentation des Verteilungsberichts am Donnerstag hat der SGB ein Massnahmenpaket präsentiert, wie die Lohnsituation in der Schweiz verbessert werden kann:
- Lohnerhöhungen von 2 bis 2.5 Prozent in der laufenden Lohnrunde. Lohnerhöhungen braucht es insbesondere bei langjährigen Mitarbeitenden und Frauen.
- Mehr Gesamtarbeitsverträge mit guten Mindestlöhnen. Prioritär sind der GAV Journalismus dt. Schweiz und die Ausdehnung des GAVs in der Sicherheitsbranche auf die kleinen Firmen, die vor allem vom Departement Schneider-Ammann blockiert wird.
- Abbau der hohen gesetzlichen Hürden bei der Allgemeinverbindlich-Erklärung von Gesamtarbeitsverträgen (insb. das Arbeitgeberquorum). Beispielsweise über das von den Arbeitgebern der Romandie vorgeschlagene „Quorum coulisssant“.
- Beschränkungen der Temporärarbeit (insbesondere bei öffentlichen Aufträgen) sowie die Pflicht, Temporärangestellte wie Festangestellte zu entlöhnen („Equal pay“). Beschränkung der Subunternehmerketten. Berufs- und Branchenregister zur besseren Identifikation von Dumpingfirmen.
- 13. Monatslohn für alle. Beispielsweise haben viele Angestellte in der Branche der persönlichen Dienstleistungen (Kosmetik, Coiffeure u.a.) wie vor keinen 13ten.
- Ausreichend hohe staatliche Mindestlöhne wie die vorgeschlagenen 23 Fr. im Kt. Genf. Erhöhung des von Postregulator Hollenstein erlassenen „Dumping-Mindestlohns“ von 18.27 Fr. auf über 22 Fr. , damit der Onlinehandel nicht zu Lohndruck führt.
- Massnahmen zur Beseitigung der Frauen-Lohndiskriminierung (Kontrollen, Sanktionen) sowie zur Verbesserung der beruflichen Stellung der Frauen.
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