Die Schweiz ist eines der letzten Länder, in welchem es wirtschaftlich abwärts geht
„La crise n’existe pas“, betitelte die Weltwoche ihre Ausgabe, die am 16. Oktober 2008 – am Tag der UBS-Rettung – erschien. Acht Jahre danach könnte man sagen, „la reprise n’est pas en vue“ oder ähnlich. Die Schweiz ist eines der letzten Länder, in welchem es wirtschaftlich abwärts geht. Während sich die Konjunktur fast weltweit erholt und die Arbeitslosigkeit sinkt, ist die Schweiz fast das einzige Industrieland, in welchem die Arbeitslosigkeit steigt (ausser Finnland und Frankreich).
Ein Rückblick über die letzten Jahre zeigt, dass die Finanzkrise in der Schweiz starke Spuren hinterlassen hat.
- Der Franken hat sich extrem stark von über 1.60 Fr./Euro auf 1.05-1.10 Fr./Euro aufgewertet. Im Gastgewerbe ist jede zehnte Stelle verloren gegangen. In der Industrie wird es Anfang 2016 so weit sein, wenn die Entwicklung anhält. Der Wechselkurs hinterlässt auch Spuren bei den Bundeseinnahmen, weil die in der Schweiz versteuerten ausländischen Erträge in Franken umgerechnet weniger hoch sind.
- Die Zinsen sind sehr tief. Das verhindert zwar weitere Frankenaufwertungen und stabilisiert den Bau. Doch weil das Kapitaldeckungsverfahren in der Altersvorsorge in der Schweiz verbreiteter ist als in vielen anderen Ländern, steigt der Druck auf die Leistungen hierzulande besonders stark. Gleichzeitig kosten die Sanierungsmassnahmen Kaufkraft.
- Weil die Staaten im Ausland Geld brauchten, haben sie das Bankgeheimnis gegenüber ausländischen Kunden in der Schweiz zu einem grossen Teil ausser Kraft gesetzt. Das ist zwar aus weltanschaulichen Gründen positiv. Ökonomisch hat es aber einen Preis: Zahlreiche (ausländische) Banken haben bereits geschlossen oder sich in die Arme einer grösseren Bank werfen müssen. Der Rationalisierungsdruck wird weitere Stellen kosten (s. CS).
- Ebenfalls auf ausländischen Druck muss die Schweiz ihr inländerdiskriminierendes Steuersystem anpassen. Profiteure sind die bisher nicht-privilegierten Firmen (Grossbanken, Versicherungen usw.), die nach dem Plan des Bundesrates künftig weniger Steuern bezahlen sollen. Die Leidtragenden sind die Privathaushalte und die Bundesangestellten, welche die Defizite ausbaden müssen.
Die Schweiz wurde von der Krise substanziell getroffen. Positiv ist, dass das Land in der Steuerpolitik schädliche Regelungen wie das Bankgeheimnis aufgeben muss. Doch diese Transformation muss wirtschaftspolitisch begleitet werden. Idealerweise würde die innovative Exportwirtschaft gestärkt. Doch der überbewertete Franken verhindert das. Die bürgerliche Politik ist völlig überfordert. Mit Vorschlägen à la Troika (Abbau des Lohnschutzes, längere Arbeitszeiten u.a.) würden sie das Land noch tiefer in den Schlamassel reiten.
Mehr denn je wäre die SNB gefragt. Ihr Szenario vom 15. Januar, dass erstens sich der Franken abwerten und zweitens sich der Dollarraum gegenüber Euroraum stark erholen bzw. und sich der Dollar markant aufwerten würde, hat sich nicht realisiert. Nun ist es Zeit, das einzugestehen und dezidiert auf eine Abwertung einzuwirken. Der Franken muss der Schweiz nützen, nicht schaden.
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