"Digitalisierung"/"Industrie 4.0" - nüchterne Zwischenbilanz und Handlungsbedarf aufgrund von mehreren Firmenumfragen
Die Industriefirmen – insbesondere in der MEM-Industrie – versprechen sich einiges von der „Digitalisierung“ und der „Industrie 4.0“. Die verwegenen Vertreter der Branche sprechen sogar davon, dass durch die damit verbunden technologischen und organisatorischen Neuerungen das Problem der Frankenüberbewertung überwunden werden kann. Die jüngst veröffentlichten Studien zu diesem Thema ergeben ein etwas anderes Bild. Die Digitalisierungsdynamik ist relativ verhalten. Positiv ist, dass die Beschäftigten unter dem Strich profitieren können. Doch gibt es ein paar Probleme zu lösen – vor allem bei den Angestellten ohne Berufslehre.
Gemäss der im Juni veröffentlichten KOF-Studie ist der Anteil der Investitionen in die Digitalisierung an den Gesamtinvestitionen seit Anfang der 2000er Jahre leicht rückläufig. Ein grosser Teil der Firmen investiert bereits seit Langem in Informationstechnologie zur Unterstützung und Verbesserung der Produktionsprozesse. Neuere Entwicklungen sind relativ verhalten. Eine Umfrage von Swissmem zeigt, dass erst etwas weniger als die Hälfte der befragten Firmen Projekte im Rahmen der „Industrie 4.0“ realisiert haben. Der Fokus der Projekte ist relativ klassisch. Sie zielen darauf, die Produktionsprozesse effizienter zu machen. Und sie sollen die Kundenbindung verstärken – auch über neue Leistungen für die Kunden.
Als Hemmnisfaktoren werden immer wieder der „Mangel an Fachpersonal“ sowie „Finanzierungsprobleme“ genannt. Auch in einer Umfrage der HWZ. Die Finanzierungsprobleme dürften sich durch die Frankenüberbewertung verschärft haben (tiefere Erträge).
Die Beschäftigungseffekte der Digitalisierungsprozesse waren insgesamt neutral. D.h. dass digitale Neuerungen zwar teilweise Arbeitsplätze gekostet haben. Doch gleichzeitig wurde auch andernorts mehr Personal eingestellt. In Bezug auf die Qualifikationsanforderungen gab es aber Verschiebungen. Es wurden insbesondere mehr Berufsleute mit einem Abschluss an einer höheren Fachschule oder einer Fachhochschule eingestellt. Demgegenüber ist die Beschäftigungsbilanz für Berufstätige ohne Lehre negativ. Hier gingen unter dem Strich Stellen verloren.
Für die weitere Entwicklung im Bereich Digitalisierung, Industrie 4.0 ist dieser Tatsache ein besonderes Augenmerk zu schenken. In der Industrie arbeiten heute z.B. rund 150‘000 „Anlage- und Maschinenbediener, Montierer“, wie sie in der offiziellen Statistik heissen. Zwei Drittel von ihnen sind bereits 40 Jahre alt oder älter. Sollte es zu Entlassungen kommen, können diese besondere Schwierigkeiten haben, wieder eine Stelle zu finden. Es ist deshalb wichtig, dass diejenigen unter ihnen, die in der Lage sind, eine Lehre nachholen können. Bei Bundesrat Schneider-Ammann liegen schon lange gute Vorschläge des Bildungsamtes SBFI auf dem Tisch. Nun müssen Taten folgen. Zusätzlich müssen die Arbeitgeber in die Pflicht genommen werden. Sie haben eine Fürsorgepflicht.
Angesichts der genannten Hemmnisfaktoren des Fachkräftemangels und der Finanzierungshemmnisse lohnt es sich, entsprechende Massnahmen im Bereich der Aus- und Weiterbildung zu einzuleiten. Die von Bundesrat Schneider-Ammann vorgeschlagene finanzielle Unterstützung der AbsolventInnen der höheren Berufsbildung ist jedoch viel zu tief („Überbrückungsfinanzierung“). Bedingung für die Unterstützung ist ein Lohn unter 2107 Fr./Mt. Bei der Finanzierung der Investitionen stellt sich die Frage, ob die Kantonalbanken ihre unterstützende Rolle in ausreichendem Mass spielen.
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