Bundesrat Maurer schon im Abstimmungskampf: Zweifelhafte Modellrechnungen zur Steuervorlage 17
Die bisherigen Gewinnsteuersenkungen in den Schweizer Kantonen haben Löcher in die Staatskasse gerissen. Das bekannteste Beispiel ist Luzern. Doch längerfristig würde sich das lohnen, behaupteten Regierungen und Wirtschaftsvertreter., ohne dass ihnen die Realität bisher recht gegeben hat. Dasselbe sagt nun auch Bundesrat Maurer zur Steuervorlage 17. Und legt ein Modell vor, in welchem längerfristig positive „dynamische“ Entwicklungen berechnet werden. Doch dieses Modell ist unbrauchbar.
Das Modell geht davon aus, dass der staatlich finanzierte Service public (Bildung usw.) für die Investitionen von Firmen keine Rolle spielt. Selbst wenn aus der Gewinnsteuersenkung grosse Defizite entstehen und einschneidende Sparmassnahmen beschlossen werden, spielt das keine Rolle. Im Modell ist das nur indirekt offengelegt: Das Modell „gründet auf der Annahme, dass sich im Zuge der Steuerreform weder in der Schweiz noch an Konkurrenzstandorten andere relevante Standortfaktoren (Zugang zu qualifiziertem Personal, politische und rechtliche Stabilität, Infrastruktur, etc.) massgeblich ändern“ (S. 11). Die positivsten „dynamischen“ Modelleffekte ergäben sich daher dann, wenn man die Gewinnsteuern ganz abschaffen würde. Man braucht kein Wirtschaftsstudium um zu begreifen, dass diese Annahme grundfalsch ist. Interessant ist eine unlängst veröffentlichte Studie der Uni St. Gallen, die aufzeigt, dass die Steuerbelastung für die meisten Firmen im Unterschied zum Mangel an Fachpersonal für die Investitionsentscheide fast keine Rolle spielt. Die Bildung ist wichtiger als die Steuern.
Kurios ist auch, dass die Steuerverwaltung die föderalistische Struktur der Schweiz nur teilweise berücksichtigt. Die Steuerbelastung ist in den einzelnen Kantonen sehr unterschiedlich. Wenn die heutigen Steuerprivilegien abgeschafft werden, können die Firmen innerhalb der Schweiz in einen anderen (Tiefsteuer-)Kanton wechseln. Das führt dazu, dass der Bund keine Steuerausfälle hat. Und dass der NFA einen Teil des abgewanderten Steuersubstrats wieder zurückverteilt. Das ist in der Studie höchstens teilweise berücksichtigt. Wobei die Ausführungen der Autoren relativ unklar sind: „Zur Schätzung des dynamischen Effekts auf Unternehmen werden die kantonalen Unternehmensgewinne und die kantonalen Steuereinnahmen aggregiert“ (S. 12, s. auch Fussnote 15). Die negativen Auswirkungen einer ersatzlosen Abschaffung der heutigen Steuerprivilegien dürften daher überschätzt werden.
Die positiven Auswirkungen der „Steuervorlage 17“ im Modell ergeben sich vor allem daraus, dass die Steuersenkung zu höheren Löhne und zusätzlichen Arbeitsplätzen führt. Wenn die steuerbaren Gewinne um 1 Prozent steigen, soll auch die Lohnsumme um 0.3 Prozent zunehmen. Die Steuerverwaltung gibt aber verklausuliert zu, dass diese Annahme sehr spekulativ ist: „In dieser Form ist die Frage empirisch noch kaum erforscht“ (S. 15). Die Varianten mit anderen Annahmen am Schluss des Dokumentes zeigen, dass diese Variable bedeutend ist.
Es gibt aber auch Positives. Das Modell zeigt, dass Steuersenkungen für heute ordentlich besteuerte Firmen sehr ineffizient sind. Eine Senkung der Steuern von heute 19.52 auf 14.33 Prozent hätte Milliardenausfälle bei den Kantonen und Gemeinden zur Folge. Weil diese ihre Investitionsentscheide nur wenig von der Steuerbelastung abhängig machen. In der Fachsprache spricht man von „Semi-Elastizität“. Diese wird in der Studie auf -2 geschätzt. Das heisst konkret, dass eine Senkung des Steuersatzes um 1 Steuerprozent zu 2 Prozent höheren steuerbaren Gewinnen führt. Die Senkung des Gewinnsteuersatzes um rund 25 Prozent von 19 auf 14 Prozent (5 Steuerprozent) hätte eine Erhöhung der steuerbaren Gewinne um nur 10 Prozent zur Folge. Das ist ein Verlustgeschäft. Eine optimale Steuervorlage 17 würde deshalb vor allem Massnahmen für Statusgesellschaften enthalten, d.h. so genannte „Instrumente“ wie Patentbox u.a. und Übergangsmassnahmen, um die heute tiefe Steuerbelastung dieser Firmen über eine gewisse Zeit fortzuführen.
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