Wer "mehr Wettbewerb = tiefere Preise" sagt, sollte besser schweigen und sich à jour bringen
„Mehr Wettbewerb = tiefere Preise“, lautet ein selbst unter Linken verbreitetes Mantra. Doch wer diese Auffassung vertritt, hat von ökonomischem Wettbewerb wenig verstanden. Zulässig ist unter bestimmten Bedingungen einzig die Aussage, dass bei wirksamem Wettbewerb die Preise „nicht überhöht“ sind. Überhöhte Preise können sich auf verschiedene Arten zeigen: In hohen Margen der Unternehmen, in schlechter Qualität der Produkte, in hohen Managersalären usw.
Die Tiefpreis-Ideologen warten sehnlichst darauf, dass sich nach Aldi auch Lidl in der Schweiz zu etablieren beginnt. Doch die tiefen Preise von Lidl haben mit Wettbewerb wenig zu tun. Sie sind im Gegenteil die Folge von Marktmacht und zwar sowohl auf den Beschaffungsmärkten, als auch auf dem Arbeitsmarkt bei der Anstellung von Personal. Sie sind eine Folge von Druck auf die Lieferanten und die Angestellten. Die neuste Reportage von Wallraff über die Arbeitsbedingungen bei einem Lidl-Lieferanten in der deutschen Wochenzeitung "Zeit" liefert weiteres Anschauungsmaterial (Link).
Bemerkenswert ist, dass sich in der EU ein Gesinnungswandel beim Verständnis von wirtschaftlichem Wettbewerb bzw. wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit abzuzeichnen beginnt. Und diese Entwicklung ist auch in der Schweiz in Ansätzen spürbar. Jedenfalls hat die "Volkswirtschaft" - die Zeitschrift des Seco - im März einen Artikel dazu veröffentlicht (Link). Wettbewerbsfähigkeit wird dort definiert als "Fähigkeit eines Landes, Wohlfahrt zu erzeugen" und nicht als "tiefe Kosten" oder "tiefe Preise". "Wohlfahrt" heisst "hohes Einkommen", "gerechte Verteilung", "Vollbeschäftigung", "ökologische Nachhaltigkeit" usw. Die Verfechter von "mehr Wettbewerb = tiefere Preise" haben hohen Weiterbildungsbedarf.
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