1. Mai 2012 in Bülach und Luzern
Es gilt das gesprochene Wort
Es gibt Leute, die sagen, dass Jean Nouvel das KKL gebaut hat. Das ist natürlich völlig falsch. Nouvel alleine hätte heute noch nicht einmal einen Teil des Fundamentes ausgehoben. Ohne Hunderte von Arbeiterinnen und Arbeitern würde heute noch vom KKL noch gar nichts stehen. Und so ist es auch in der Schweizer Wirtschaft. Ohne uns, ohne die vielen Tausend Arbeiter, Köchinnen, Lehrerinnen, Krankenpfleger, Verkäuferinnen, ohne uns läuft gar nichts. Ohne uns stünde die Schweiz still.
Doch die Schweizer Politik denkt offenbar anders. Wie kann man es sonst erklären, dass die Steuern für die Gutverdiener und Reichen im Land immer weiter gesenkt werden? Woher kommt es, dass die Normalhaushalte immer mehr für ihre Krankenkasse zahlen müssen? Die Schweizer Steuer- und Abgabenpolitik begünstigt die Reichen und Gutverdiener. Und sie belastet die Normalverdienerinnen und Normalverdiener. Das ist keine Politik für uns. Das ist eine Politik im Dienst der Oberschicht.
Alt-Bundesrat Merz hat das mit seiner gefälschten Unternehmenssteuerreform auf die Spitze getrieben. Er hat damals in der Volksabstimmung behauptet, dass kleine Gewerbler wie Floristen oder Metzger profitieren. Wir haben schon bei der Abstimmung gesagt, dass das nicht stimmt. In Wirklichkeit sind es vor allem reiche Millionäre und Multimillionäre, die profitieren. Zu diesem Steuergeschenk für die Millionäre haben die Schweizerinnen und Schweizer nicht ja gesagt. Der Bundesrat und das Parlament müssen es rückgängig machen.
Den Reichen Steuergeschenke machen, bei den Normalverdienenden sparen. So funktioniert die leider bürgerliche Steuer- und Abgabenpolitik. Wenn wir am 17. Juni in der Abstimmung zu Managed care nicht klar nein sagen, geht das so weiter. Die Versorgung wird schlechter. Und statt dass gerechter finanziert wird, müssen wir mehr selber bezahlen. Wir brauchen eine gute Gesundheitsversorgung. Und wir wollen eine gerechte Finanzierung. Darum sagen wir nein am 17. Juni.
Wenn Multimillionäre wie Christoph Blocher gleich viel für die Krankenkassenprämie zahlen wie die Verkäuferin oder der Maler, ist etwas faul. Das ist alles andere als gerechte Finanzierung des Gesundheitswesens. Die Prämien sind inzwischen so stark gestiegen, dass viele Haushalte in der Schweiz nicht mehr wissen, wie sie diese noch zahlen sollen. Dabei hat der Bundesrat vor über 20 Jahren ein Sozialziel versprochen. Er hat versprochen, dass niemand mehr als 8 Prozent des steuerbaren Einkommens für die Krankenkassenprämien ausgeben soll. Doch das Versprechen wird nicht eingehalten. [Luzern: Der Kanton Luzern schneidet dabei besonders schlecht ab. Er ist unter den Kantonen, die am wenigsten Prämienverbilligungen bezahlen. Kein Wunder machen die Prämienausgaben im Schnitt rund 11 Prozent des Einkommens aus]. [Bülach: Der Kanton Luzern schneidet alles andere als gut ab. Er hat Prämienverbilligungen gekürzt. Kein Wunder machen die Prämienausgaben im Schnitt rund 11 Prozent des Einkommens aus]. Der Bundesrat hat das Sozialziel von 8 Prozent weit verfehlt.
Obwohl die Schweiz so reich ist wie noch nie, reicht das Geld bei vielen Leuten nicht zum Leben. An der Zürcher Bahnhofstrasse gibt es Kleiderboutiquen, in denen eine Verkäuferin mit ihrem Lohn kein Kleid kaufen könnte. In Schuhgeschäften werden teilweise Löhne deutlich unter 3000 Fr. bezahlt. Und weil die Arbeit oft auf Abruf ist, wissen die Verkäuferinnen nicht einmal, wie viel Geld sie am Ende des Monats wirklich haben. Das ist prekär. Das darf es in der reichen Schweiz nicht geben.
Dazu kommt, dass die Ladenöffnungszeiten verlängert werden sollen. Die Ungerechtigkeit ist krass. Diejenigen mit den tiefsten Löhnen müssen noch länger arbeiten. Damit die Besserverdienenden einkaufen können. Sollen wir alle auch am Sonntag arbeiten? Wann sollen wir denn leben? Am 1. Mai vor 126 Jahren haben Arbeiter in den USA für den 8-Stundentag gekämpft. Das ist der Hintergrund des 1. Mai. Dieser Kampf geht leider weiter. Wir wollen geregelte und faire Arbeitszeiten. Darum sagen wir Nein zu längeren Ladenöffnungszeiten in Luzern am 17. Juni.
Im Bau haben sich die Arbeitsverhältnisse in den letzten Jahren stark geändert. Bei Lohnkontrollen gibt es Bauarbeiter, die können nicht einmal sagen, wer ihr Arbeitgeber ist. Oft werden sie von „luschen“ Unternehmen hin und her geschoben. Bei solchen Verhältnissen sind echte Lohnkontrollen natürlich unmöglich. Darum haben wir verlangt, dass eine Solidar- oder Generalunternehmerhaftung eingeführt wird. Im Nationalrat wurde das auch so beschlossen. Doch der zuständige Bundesrat Schneider-Ammann versucht nun das zu verhindern. Er hat gesagt, dass er „Ordnung im Stall“ wolle. „Ordnung im Stall“ heisst nicht, dass man die Leute wie Kühe herumkommandieren kann, Herr Bundesrat. „Ordnung“ heisst, dass alle in der Schweiz einen Schweizer Lohn erhalten. Das heisst, dass die Schweizer Löhne durchgesetzt werden. Gegen Dumping, Für unsere Löhne. Das wurde versprochen. Und das muss eingehalten werden.
Wer arbeitet, muss einen guten Lohn erhalten. Dafür kämpfen wir Gewerkschaften, seit es uns gibt. Und wir haben Erfolge. Nur dank uns ist in der Schweiz gegen die Hälfte der Löhne über Mindestlöhne in Gesamtarbeitsverträgen geschützt. Nur dank uns sind die Tieflöhne im Gastgewerbe in rund 10 Jahren von 2340 auf 3400 Fr. gestiegen. Und nur dank uns gibt es den 13. Monatslohn. Was wäre, wenn es keine Gewerkschaften gäbe? Ohne uns gäbe es starken Druck auf die Löhne. Ohne uns würde die Arbeitgeber-Willkür herrschen. Darum braucht es uns. Darum kämpfen wir. Und es lohnt sich.
Damit alle Löhne mit Mindestlöhnen gegen Lohndruck geschützt sind, haben wir die Mindestlohninitiative eingereicht. Die Arbeitgeberspitzen machen bereits Stimmung dagegen. Und sie behaupten, man könne die Probleme über Gesamtarbeitsverträge lösen. Doch, liebe Herren Daum und Vogt, wie soll es Mindestlöhne geben, wenn die Arbeitgeber im Journalismus sich seit Jahren weigern einen Gesamtarbeitsvertrag abzuschliessen? Was können die VerkäuferInnen in Schuhgeschäften mit ihren kleinen Löhnen dafür, wenn ihre Löhne unter Druck sind, nur weil ihre Chefs keinen GAV wollen? Sogar die bürgerliche Regierung Merkel in Deutschland hat dieses Problem begriffen. Sie will in Branchen ohne GAV staatliche Mindestlöhne einführen. Damit alle Löhne durch Mindestlöhne geschützt sind. In der Schweiz müssen wir der Regierung auf die Sprünge helfen. Mit unserer Mindestlohninitiative. Damit alle Löhne in der Schweiz geschützt sind. Und damit niemand weniger als 22 Fr./h oder 4000 Fr. im Monat verdient.
Bei den Altersrenten konnten wir Gewerkschaften bisher Verschlechterungen verhindern. Doch die nächsten Angriffe sind bereits angekündigt. Die bürgerlichen Parteien wollen die Renten der Pensionskassen senken. Und sie wollen den Mischindex, den Teuerungsausgleich bei den Renten angreifen. Obwohl die Rente bei vielen in der Schweiz nicht zum Leben reicht. Wir Gewerkschaften werden die Angriffe auf die Renten abwehren. Und wir haben ein Projekt für bessere Renten. Das Projekt AHVplus. Damit alle eine gute Rente erhalten. Damit die erste Säule gestärkt wird. Es darf in unserem Land nicht sein, dass einige im Alter Mühe haben, finanziell über die Runden zu kommen, während andere im Geld schwimmen.
Wenn man in die Welt hinaus schaut, sieht man, dass die Verhältnisse überall dort gerechter sind, wo es starke Gewerkschaften gibt. In Ländern wie den USA oder England, in denen die Gewerkschaften von den Regierungen bekämpft wurden, ist die Lohnschere besonders stark aufgegangen. Die Gewerkschaften müssen fordern. Sie müssen leider kämpfen. Obwohl es uns dank dem Einsatz von vielen früheren Kolleginnen und Kollegen heute besser geht, müssen wir unsere Rechte täglich einfordern. Damit die Arbeiter, die Lehrerin, der Krankenpfleger und die Köchin, die das Land am Laufen halten, zu ihrem Recht kommen. Damit sie den Anteil erhalten, der ihnen zu steht. Damit die Verhältnisse gerechter werden. Für gute Löhne und gute Renten. Dafür braucht es uns. Dafür arbeiten und kämpfen wir.