Geringere Lebenserwartung der tiefen Einkommen - warum erhalten sie nicht mehr Rente?
Wie lange eine Rentnerin oder ein Rentner lebt, ist für die Finanzen der Altersvorsorge ein wichtiger Faktor. Insbesondere bei den Pensionskassen, wenn der so genannte Umwandlungssatz festgelegt wird. In der Vergangenheit ist die Lebenserwartung in fast allen Industrieländern gestiegen. Als bekannt wurde, dass im Vereinigten Königreich und in den USA, aber auch in Frankreich die Lebenserwartung der Rentnerinnen und Rentner in jüngerer Zeit nur noch vergleichsweise schwach gestiegen ist, gab das Anlass für diverse Diskussionen. Gemäss der Financial Times haben die englischen Lebensversicherer ihre Gewinnerwartungen bereits nach oben angepasst. Weil sie hoffen, weniger Renten zahlen zu müssen.
ExpertInnen in England und Wales haben diese Entwicklung zu erklären versucht. Sie kommen zum Schluss, dass es keine eindeutigen Erklärungen gibt, gehen aber davon aus, dass die Stagnationstendenzen bei der Lebenserwartung nicht vorübergehend sind. Eine Ursache könnten die Sparmassnahmen im Gesundheits- und Sozialwesen nach der Finanzkrise sein.
In der Schweiz ist die Lage weniger dramatisch. Interessant ist aber auch hierzulande, dass die Sterblichkeit bei den hochbetagten Frauen in den letzten Jahren etwas zugenommen hat. Die Grafik unten zeigt das für Frauen ab 95 Jahren („alt“=alte Bevölkerungsstatistik im Nenner, ab 2010 neue Bevölkerungszahlen). Es wird sich zeigen, wie die Entwicklung weitergeht.
Für die Diskussionen über die berufliche Vorsorge in der Schweiz sind diese Entwicklungen relevant. Denn die Höhe des Umwandlungssatzes hängt im Wesentlichen von der Lebenserwartung im Rentenalter und von den Anlagerenditen ab.
Bisher kaum diskutiert wurde, dass sich die Lebenserwartung der Einkommensklassen unterscheidet. Es gibt zwar eine verbreitete Kritik, dass die Aktiven die RentnerInnen querfinanzieren würden („Umverteilung“). Doch wenn die Renten der tiefen Einkommen mit dem gleichen Umwandlungssatz berechnet werden wie diejenigen der oberen Lohnklassen, so findet eine Umverteilung von unten gegen oben statt. Für die Schweiz gibt es kaum Zahlen dazu. Eine Studie im Auftrag des BSV kam zum Schluss, dass die Lebenserwartung im Rentenalter stark mit dem Bildungsstand korreliert ist. Eine Untersuchung des INSEE für Frankreich kommt zum Schluss, dass die wohlhabendsten 5 Prozent im Alter 65 eine um 6 Jahre höhere Lebenserwartung haben als die untersten 5 Prozent (Männer).
Natürlich ist es im dezentralen System der beruflichen Vorsorge anspruchsvoller, einkommensabhängige Rentenformeln anzuwenden als bei der AHV. Deshalb ist und bleibt die Stärkung der AHV die zielführendste Massnahme zur Lösung der Rentenprobleme. Doch auch im BVG gibt es Ansätze. Sofern der politische Wille vorhanden ist, diese umzusetzen.
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