"Auf zum Streik, mujeres!": Historischer Frauenstreik in Spanien
Das hat Europa noch nie gesehen: 6 Millionen Frauen und Männer beteiligten sich in Spanien am grossen Frauenstreik.
"Auf zum Streik!" sang eine Frauengruppe in der nordspanischen Stadt Bilbao im Vorfeld des Frauentags. Und weiter im Song: "Wir sind zehn, wir sind hundert, wir sind tausend!" Am 8. März dann die perfekte Überraschung: Sechs Millionen Frauen und Männer beteiligten sich am grössten Frauenstreik in der Geschichte Spaniens, ja Europas. Nach dem Frauenstreik in Island (1975) und jenem in der Schweiz (1991) überraschten die Spanierinnen mit einer nie gesehenen Mobilisierung. Warum gerade sie?
Wenn Frau will
Der Riesenerfolg ist das Resultat jahrelanger Arbeit Hunderter feministischer "Colectivos". Viele dieser Frauengruppen sind mit der Protestbewegung "Indignadas/-os" (die Empörten) entstanden, die in Spanien seit 2011 gegen Sparprogramme, Arbeitslosigkeit, Bildungsabbau und für Gleichstellung auf die Strasse ging. Im Januar 2017 beteiligten sie sich auch an den feministischen Anti-Donald-Trump Märschen. Am 8. März vor einem Jahr waren sie schon Hunderttausende, vor allem junge Frauen. Trotz Wirtschaftsaufschwung gibt es in Spanien für die Mehrheit der Jungen nur prekäre Jobs, eine Saisonstelle in einem Tourismusgebiet zum Beispiel. Aber kaum feste Anstellungen. Und die Frauen verdienen erst noch weniger als die Männer.
Und dann erschütterten auch noch mehrere brutale Morde an Frauen die Öffentlichkeit. Allein 2017 wurden in Spanien fast 50 Frauen von (ihren) Männern umgebracht. Vor diesem Hintergrund rief im letzten Dezember die Koordination der "Colectivos" für den 8. März 2018 zum Frauenstreik auf. Alle sollten teilnehmen, Frauen in Betrieben, im Haushalt und in den Schulen. Zentrale Forderungen: Schluss mit der Gewalt gegen Frauen! Schluss mit der Diskriminierung und Prekarisierung in der Erwerbsarbeit! Schluss mit der alleinigen Verantwortung für die Haus- und Betreuungsarbeit! Selbstbewusst endete der Streikaufruf mit dem Slogan: "Si paramos todas, paramos todo", was etwa dasselbe heisst wie: "Wenn Frau will, steht alles still!"
Lila statt rot
Auf den Aufruf folgte die Mobilisierung: Lokale Streikbündnisse bereiteten Demos vor, Schülerinnen und Studentinnen planten die Stilllegung des Unterrichts. Und die Gewerkschaften organisierten systematisch zweistündige Streiks in den Betrieben. Das brachte die rechte Regierungspartei von Mariano Rajoy auf den Plan. Sie schoss gegen den Frauenstreik, er sei eine "Aktion feministischer Eliten, nicht der realen Frauen", so ihre Gegenpropaganda. Und die bürgerliche Ciudadanos-Partei liess verlauten: "Wir sind gegen den Streik, denn wir sind keine Antikapitalisten." Trotzdem fanden 82 Prozent aller Spanierinnen und Spanier in einer repräsentativen Umfrage, es gebe gute Gründe zu streiken.
Am Frauentag sah Spanien dann lila - statt rot: Auch die Gewerkschaft Commissiones Obreras trug lila Fahnen. Tausende Betriebe im ganzen Land wurden bestreikt, einige den ganzen Tag lang. Gegen vierzig Prozent aller Lohnabhängigen waren dabei. Bestreikt wurden auch Schulen und Universitäten. In 300 spanischen Städten demonstrierten insgesamt mehrere Millionen Frauen und Männer. Allein in Bilbao gingen 60 000 Frauen auf die Strasse. Hier stimmte eine Frauengruppe den Streiksong an - und die Demonstrantinnen sangen den Refrain mit: "Zehn zum Streik, hundert zum Streik, alle streiken wir."
Eine Rednerin erinnerte auch an die Ermordeten, sie rief in die Menge: "Wir sind sehr viele heute, aber einige sind nicht mehr hier!" Und die Frauen skandierten: "Schluss mit diesem Machismo, wir haben genug!"